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Volker Meid (Hg.):Kennst du das Land?

Volker Meid (Hg.):

Kennst du das Land? Deutschlandgedichte. Reclam, Stuttgart 2012. 245 Seiten, 9,95 Euro.

Die Zeile könnte gerade erst ein besorgter Bundespräsident im schattigen Park von Schloss Bellevue verfasst haben: „O Teutschland/wach doch auff/faß wider einen muht.“ Dass sie aus Georg Rudolf Weckherlins „Sonnet an das Teutschland“ (1584-1653) stammt, deutet an, dass das deutsche Hadern mit dem eigenen Land mehr als klassisch ist. Gut weg kommt Deutschland in der Dichtung selten, und je näher wir der Gegenwart kommen, desto größer die Distanz und die dichterische Autoaggression. Im 20. Jahrhundert hat das lyrische nationale Sprechen, wie Volker Meid in der Einleitung zu seiner Sammlung schreibt, endgültig seine Unschuld verloren. „Ich habe Angst vor dir, Deutschland“, heißt es bei F.C. Delius und Eva Strittmatter notiert: „Das Land, in dem ich lebe, macht mir Schmerzen.“ Auch Günter Grass, der schon der Wiedervereinigung nichts abgewinnen konnte („Karg war die Ernte, reich die Beute./ Ach, Treuhand hat uns abgeschöpft“), lässt in seiner aktuellen Ruck-Gedichten Deutschland ganz hinter sich und wendet sich an das postnationale Europa („Geistlos verkümmern wirst Du ohne das Land,/ dessen Geist Dich, Europa, erdachte“). An ein Nationalgedicht wie das Nibelungenlied, das für diese kleine Anthologie offenbar zu episch war, ist heute nicht mehr zu denken. Die politische Lyrik ist, von Grass abgesehen, aus der Mode gekommen. Politische Hilfestellung liefert aber auch die Lyrik der Vergangenheit. Mit Heine könnte man für Eurobonds und die französische Lösung in der Krise plädieren: „Gottlob! durch meine Fenster bricht/Französisch heit’res Tageslicht;/ Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,/Und lächelt fort die deutschen Sorgen“. Mit Klopstock aber auch für europäische Austerität unter deutscher Führung („Nie war, gegen das Ausland,/ Ein anderes Land gerecht, wie du!/Sei nicht allzugerecht“). So oder eben so, wusste Brecht : „O Deutschland, wie bist du zerrissen …“ mos

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