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Politik: Letzte Hoffnung Kopenhagen

Der deutsch-französische Fahrplan für EU-Beitrittsverhandlungen enttäuscht die Türkei – trotzdem will sie an den Reformen festhalten

Wie eine Faust in der Magengrube ist der deutsch-französische Vorschlag zum Umgang mit Ankaras EU-Bewerbung in der Türkei angekommen. Die Empfehlung, erst Ende 2004 über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, traf die Türken bei ihren Feiern zum Ende des Fastenmonats Ramadan so unerwartet, dass es selbst ihrer sonst so wortgewaltigen Presse die Sprache verschlug. Doch nach dem ersten Schock rappelte Ankara sich rasch wieder hoch: Geschlagen gebe sich die Türkei noch lange nicht, verkündeten Regierung und Opposition einmütig. Bis zum Beginn des Kopenhagener Gipfels werde weiter um einen baldigen Termin für Beitrittsverhandlungen gekämpft.

Die Türkei erhoffte sich von dem Gipfel bisher eine feste Zusage für den Beginn von Beitrittsverhandlungen im nächsten oder übernächsten Jahr. Falls daraus nichts werden sollte, erwartete Ankara zumindest das Versprechen, dass der Verhandlungstermin im kommenden Jahr festgelegt werde – auf jeden Fall noch vor der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedsländern im Mai 2004. Dass die politische Entscheidung nach dem deutsch-französischen Vorschlag erst nach der Erweiterung fallen soll, kommt aus Sicht der Türken fast einem endgültigen Aus für ihre Bewerbung gleich. „Wenn uns eine aus 15 Mitgliedern bestehende EU nicht aufnimmt, dann wird es eine aus 25 Mitgliedern bestehende Union schon gar nicht tun“, sagte Ministerpräsident Abdullah Gül.

Das von den Europäern versprochene positive Signal für die türkische Bewerbung sei das jedenfalls nicht, sagte Außenminister Yasar Yakis. Die EU messe die Türkei wieder einmal mit einem anderen Maß als alle anderen Beitrittskandidaten. Die deutsch-französische Formel, wonach Ende 2004 über einen Verhandlungsbeginn im Juli 2005 entschieden werden soll, sei dem türkischen Volk nicht zu vermitteln und könne von Ankara nicht akzeptiert werden.

Aber noch ist nicht aller Tage Abend, so lautet die Parole in Ankara jetzt. Entschieden werde erst in Kopenhagen, betonte die Regierungspartei AKP; alle anderen Erwägungen seien hypothetisch. Die Debatte um die türkischen Beitrittsverhandlungen sei noch in vollem Gange, sagte AKP-Chef Recep Tayyip Erdogan, der den Vorschlag als inakzeptabel zurückwies. Erdogan trifft sich am Montag mit dem EU-Ratspräsidenten Anders Fogh Rasmussen, dessen zurückhaltende Aufnahme des deutsch-französischen Vorstoßes die Türken in ihrem Zweckoptimismus bestärkte. Wenn nötig, werde er auch noch einmal mit den Ministerpräsidenten einiger EU-Staaten sprechen, kündigte Erdogan an. Die belgische Regierung erwägt offenbar bereits ein früheres Datum für Verhandlungen.

Mit einer in Ankara ungewohnten Gelassenheit reagierten die Vertreter der neuen Regierung aber auch auf die Aussicht, dass der Kopenhagener Gipfel tatsächlich den neuen Vorschlag verabschieden könnte. „Wenn es klappt, dann klappt es, aber wenn nicht, dann setzen wir unseren Weg in derselben Richtung fort“, sagte Erdogan. „Ob die EU die Türkei nun aufnimmt oder nicht – wir setzen die Kopenhagener Kriterien um, um den Lebensstandard unseres Volkes zu verbessern.“

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