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Politik: Letzte Schlacht um Schröders Irakpolitik

Die SPD ärgert sich über die Kritik der CDU/CSU – geht es um Kurnaz oder um die Moral von Rot-Grün ?

Berlin - Mit Argusaugen verfolgen SPD-Strategen und Mitarbeiter von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in diesen Tagen, wie sich die Koalitionspartner von der Union zu den Vorwürfen gegen den früheren Kanzleramtschef der rot-grünen Regierung äußern. Die Sozialdemokraten unterstellen den CDU- und CSU-Politikern aus der gemeinsamen Regierung nämlich, dass sie bei ihrem Urteil über das Handeln von Steinmeier im Fall des Bremer Türken Murat Kurnaz durchaus auch eigene Interessen verfolgen. Während die Kanzlerin über ihre Sprecher Solidaritätserklärungen für den Außenminister abgeben lässt, sieht man kritische Nachfragen anderer Unionspolitiker zum Fall Kurnaz im SPD-Kosmos mit wachsendem Ärger.

Wenig überraschend war am Wochenende, dass Guido Westerwelle Steinmeier scharf attackierte, nachdem dieser seine Entscheidung zu Kurnaz aus dem Jahr 2002 offensiv verteidigt hatte. Eine „erschreckende Uneinsichtigkeit im Hinblick auf Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit“ warf der FDP-Vorsitzende dem Ex-Kanzleramtschef in der „Welt am Sonntag“ vor. Überraschender war, dass im selben Blatt ein wichtiger Unionspolitiker das Votum der Kanzlerrunde verteidigte, den damals unter Terrorverdacht stehenden türkischen Staatsbürger Kurnaz nicht nach Deutschland, sondern in die Türkei reisen zu lassen. „Ich habe jedes Verständnis dafür, dass sich Herr Steinmeier zum damaligen Zeitpunkt im Zweifel für die Sicherheit entschieden hat“, erklärte da Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU): „Ich erwarte sogar, dass sich eine Bundesregierung so entscheidet.“ Zugleich legte der CDU- Mann aber nahe, dass der Schritt aus heutiger Sicht trotzdem unrichtig gewesen sein könne, und verlangte ein Einlenken des Außenministers. „Man muss aber auch die Größe haben, sich zu entschuldigen, wenn sich die Entscheidung im Nachhinein – und danach sieht es aus – als Fehler herausstellt.“

Schockenhoff aber blieb mit diesem Urteil weitgehend alleine in der Union, obwohl die in der Ausländerpolitik traditionell härtere Volkspartei die rot-grüne Regierung in der Ausländer-Terrordebatte stets als zu weich attackierte. Alles spricht dafür, dass Unionspolitiker grundsätzlich Sympathie für den Wunsch der damaligen Regierung und Steinmeiers haben müssten, den als „Gefährder“ eingeschätzten Kurnaz zwar nicht in Guantanamo schmoren, aber doch nach seiner Freilassung nicht nach Deutschland einreisen zu lassen. Doch die Union sieht in der Steinmeier-Debatte auch die Chance, die Irakpolitik von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) nachträglich zu diskreditieren.

Auch der bei Rot-Grün als Hardliner verschriene Innenpolitiker Hans-Peter Uhl (CSU), der in München die Abschiebung des jugendlichen Straftäters Mehmet in die Türkei betrieb, will Steinmeiers Entscheidung heute nicht verteidigen. Laut Uhl geht es nicht nur um Steinmeier, sondern um die Glaubwürdigkeit rot-grüner Außen- und Menschenrechtspolitik. „Die politische Frage ist, ob sich Rot-Grün doppelzüngig und zynisch verhalten hat“, sagte der CSU-Politiker dem Tagesspiegel. „Es geht darum, ob die frühere Regierung einerseits Guantanamo schärfstens verurteilt hat, andererseits aber möglicherweise nicht alles getan hat, um dem Guantanamo-Insassen Kurnaz zu helfen.“ Uhl, innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion, fordert, dass der Außenminister ungeachtet des bisherigen Arbeitsprogramms des BND-Untersuchungsausschusses früher vor dem Gremium aussagt. Nach bisheriger Planung ist dies frühestens März geplant. Als Ex-Vorsitzender des Visa-Ausschusses kennt sich Uhl mit der Arbeit solcher Gremien aus. Sein Votum: „Da muss man dann auch mal einen Zeugenplan umwerfen.“

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