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Politik: Letzter unter Gleichen

Von Elke Windisch, Moskau Auf dem Russland-Nato-Gipfel an diesem Dienstag in Rom wird wahr, was die öffentliche Meinung in Russland seit dem Ende der Sowjetunion 1991 anstrebt – gleichberechtigte Beziehungen zur nordatlantischen Allianz. Unabhängige Beobachter sind, sowohl was das von Putin und Bush unterzeichnete Start-3-Abkommen als auch den römischen Gipfel anbelangt, weitaus zurückhaltender.

Von Elke Windisch, Moskau

Auf dem Russland-Nato-Gipfel an diesem Dienstag in Rom wird wahr, was die öffentliche Meinung in Russland seit dem Ende der Sowjetunion 1991 anstrebt – gleichberechtigte Beziehungen zur nordatlantischen Allianz. Unabhängige Beobachter sind, sowohl was das von Putin und Bush unterzeichnete Start-3-Abkommen als auch den römischen Gipfel anbelangt, weitaus zurückhaltender. Gerade das Abkommen, meinte der renommierte Politologe Andrej Piontkowski im russischen Dienst des US-Auslandssenders Radio Liberty, sei ein typisches Beispiel dafür, dass beide Seiten – womöglich unbewusst – an Denkmustern aus der angeblich begrabenen Ära des Kalten Krieges festhalten. Vor allem Russland, das auf eine völkerrechtlich verbindliche Form für die Abrüstung drängte, sei weit davon entfernt, sich auch definitiv von alten Bedrohungsängsten und Feindbildern zu verabschieden. Einschlägigen Beteuerungen der Politiker stünden reale Fakten gegenüber, die das Gegenteil bewiesen. Ohne Bedrohung, selbst wenn es sich nur um eine imaginäre handelt, lässt sich die Notwendigkeit einer Millionenarmee, die rund ein Viertel des Staatshaushalts verschlingt, dem russischen Steuerzahler kaum vermitteln.

Vor allem die latenten Grabenkämpfe zwischen den Pragmatikern um Putin und Dogmatikern aus dem Generalstab, auf die der Kreml nach wie vor Rücksicht nehmen muss, haben zu dem heutigen Nato-Sondergipfel geführt. Bereits 1997 hatte die Allianz Russland besondere Beziehungen zugesichert, um Moskau über den Nato-Beitritt von Polen, Ungarn und Tschechien hinwegzutrösten. Doch das damals vereinbarte Format „19 plus eins“ wies der einstigen Supermacht die Rolle eines Juniorpartners mit bloßem Anhörungsrecht zu. Die neue Formel dagegen lautet „20“ – und macht damit schon allein äußerlich den Übergang zu einer prinzipiell neuen Qualität der Beziehungen und einer echten Partnerschaft deutlich.

So jedenfalls die offizielle Darstellung Moskaus. Real sieht es ein wenig anders aus: Das Nato-Prinzip, wonach das Veto auch nur eines Mitgliedes Entscheidungen blockiert, wird nun auch auf die Zusammenarbeit mit Russland angewandt. Allerdings nur in jenen Punkten, bei denen die Allianz Russland tatsächlich ein Mitspracherecht zugesteht: vor allem beim Kampf gegen den Terrorismus und beim globalen Krisenmanagement. Nicht so dagegen bei der neuerlichen Erweiterung der Allianz, die Moskau nach wie vor ablehnt. Trotz offizieller Einladung werden die Russen daher der für Herbst geplanten Prager Tagung demonstrativ fernbleiben. Und vor knapp zwei Wochen vereinbarte Moskau mit seinen Sicherheitspartnern in der GUS – Weißrussland, Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan und Armenien – die Umwandlung des Vertrages über kollektive Sicherheit in ein regionales Verteidigungsbündnis. Darin sehen viele bereits ein Remake des Warschauer Vertrages.

Vor allem gegen den Nato-Beitritt der baltischen Staaten laufen Russlands Hardliner beharrlich Sturm. Mittelfristig gelten auch die Ukraine und Moldowa als Beitrittskandidaten. Und Georgien will, wie Staatschef Schewardnadse ankündigte, spätestens 2005 „an die Tür der Allianz klopfen“. Die Zentralasiaten gaben zu erkennen, dass sie für die Öffnung von Luftraum und Basen im Zuge der Anti-Terror-Operation eine Einladung zu Beitrittsverhandlungen erwarten. Putin reagierte eher gelassen auf derartige Ankündigungen. Durch immer neue Aufblähungen der Nato, so frohlockten russische Strategen bereits, sei es eine reine Zeitfrage, wann das Bündnis sich durch den Konsens-Zwang so paralysiere, dass es de facto zum Debattierclub verkomme.

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