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Politik: Libanon nach der Ermordung Hariris

Als am Morgen des 14. Februar im Beiruter Touristenviertel eine Autobombe die Wagenkolonne des früheren Ministerpräsidenten Rafik Hariris zerriss und ihn und 17 andere tötete, glaubten die Libanesen im ersten Schrecken, die schlimmen Tage des Bürgerkriegs könnten zurückkehren.

Beirut (28.02.2005, 19:07 Uhr) - Beirut, das «Paris des Ostens», hatte sich seit dem Ende des Bürgerkriegs 1990 von einer Ruinenlandschaft wieder in eine geschäftige moderne Stadt voller Hotels, Restaurants, Geschäften, Nightclubs und Straßencafés verwandelt.

Und der Architekt dieses phänomenalen Wiederaufstiegs war nach übereinstimmender Meinung der fünfmalige Premier Hariri, der es aus eigener Kraft vom Bauernsohn zum Multimilliardär gebracht hatte.

Sein gewaltsamer Tod hat Libanon bis ins Mark erschüttert. Die Straßencafés und Einkaufszentren sind verwaist. Die Touristen, Libanesen wie Araber, haben gepackt und die Luxushotels und mondänen Skiorte verlassen. Täglich demonstrieren Tausende gegen Syrien und die eigene pro-syrische Regierung, die sie für den Mord an Hariri verantwortlich machen. Am Montag waren es - trotz Verbots - 50 000 Demonstranten. Am Abend hatten sie ein erstes Ziel erreicht: Die Regierung von Ministerpräsident Omar Karami erklärte ihren Rücktritt.

Hariris Grab in der Mohammed el Amin-Moschee ist täglich das Ziel Tausender schwarz gekleideter Trauernder, Muslims wie Christen. Manche schwören, das Grab nicht zu verlassen, «bis Hariris Mörder entlarvt sind und die Syrer Libanon verlassen».

«Dieses Grab wird zum Grab der pro-syrischen Regierung», sagt ein Trauergast. Der Mord an Hariri hat die internationale Aufmerksamkeit und den Zorn der Libanesen auf die Rolle Syriens gelenkt, das 15 000 Soldaten im Nachbarland stationiert hat und sich mit seinen Geheimdiensten in Politik und Wirtschaft Libanons einmischt.

«Syrien raus», ruft eine gut gekleidete Frau, die sich als die 60- jährige Christin Monique Bustros zu erkennen gibt. Viele - darunter der UN-Sicherheitsrat, der mit Resolution 1559 alle fremden Truppen zum Verlassen Libanons aufgefordert hat - meinen, dass Syrien schon viel zu lange geblieben ist.

Hariri, der im vergangenen Oktober im Streit um eine Mandatsverlängerung Präsident Emile Lahouds zurückgetreten war, verkörperte für viele die Zukunft des Landes. «Zukunft» war sein Lieblingswort und tauchte in vielen seiner Unternehmen auf, so beim Fernsehsender «Zukunft TV».

«Jetzt ist die Zukunft vorbei», sagt Iman Itani unter Tränen. Sie war eine Stipendiatin Hariris an einem seiner Colleges. Hariri war ein großer Mäzen und hat rund 300 000 jungen Libanesen ein Studium im Lande oder im Ausland ermöglicht.

Betroffen sind aber auch rund 500 000 syrische Arbeiter, die das Reservoir billiger Arbeitskräfte in Libanon stellen. Viele verlassen das Land aus Angst vor Racheakten. «Ich fühle, dass ich hier nicht mehr willkommen bin», sagt Raad, ein syrischer Arbeiter am Stadtrand von Beirut.

Baustellen liegen still, während immer häufiger Überfälle, Prügel und Brandstiftungen gegen syrische Arbeiter gemeldet werden. «Auf unseren Baustellen wird nur noch zu 20 Prozent gearbeitet», sagt Architekt Ahmed Kalesh. «Viele syrische Bauarbeiter sind abgehauen.»

Drusenführer und Oppositionschef Walid Dschumblatt hat seine Landsleute aufgefordert, ihre Wut nicht an den syrischen Gastarbeitern auszulassen. «Sie sind nicht für die Fehler ihres Regimes verantwortlich.» (Von Weedah Hamzah, dpa) ()

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