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Politik: Liberale Freiheitsunion beschließt Rücktritt ihrer Minister - Massive Vorwürfe gegen Ministerpräsident Buzek

In Polen ist die Mitte-Rechts-Koalition aus dem Wahlbündnis Solidarität (AWS) und der liberalen Freiheitsunion (UW) zerbrochen. Die Freiheitsunion beschloss am Sonntag in Warschau, ihre Minister aus der Koalition abzuziehen.

In Polen ist die Mitte-Rechts-Koalition aus dem Wahlbündnis Solidarität (AWS) und der liberalen Freiheitsunion (UW) zerbrochen. Die Freiheitsunion beschloss am Sonntag in Warschau, ihre Minister aus der Koalition abzuziehen. Ein Parteisprecher sagte nach einer Sitzung des UW-Landesrats in Warschau, das Parteigremium habe sich einem entsprechenden Antrag von Parteichef und Finanzminister Leszek Balcerowicz angeschlossen. In der seit 30 Monaten regierenden Koalition hatten sich Solidarität und UW wiederholt über das Tempo der politischen und wirtschaftlichen Reformen in Polen gestritten, von deren Erfolg der Beitritt des Landes zur Europäischen Union abhängt. Es wurde damit gerechnet, dass Ministerpräsident Jerzy Buzek als Chef einer Minderheitsregierung im Amt bleibt.

Mit einem überraschenden Vorschlag, den unbeliebten Buzek zurückzuziehen und durch den 41-jährigen Finanzexperten Boguslaw Grabowski zu ersetzen, hatte Solidarität zuvor versucht, das Vertrauen der UW-Minister zurückzugewinnen. Grabowski hat sich als Mitglied des für die Leitzinsen zuständigen Zentralbankrates einen Ruf als Wirtschaftsexperte erworben, verfügt allerdings kaum über politische Erfahrung. In der Regierung gab es immer wieder heftige Auseinandersetzungen zwischen den beiden Koalitionspartnern. Der konkrete Auslöser des Rückzugs der UW-Minister war allerdings ein Streit um den Warschauer Stadtrat. Die Freiheitsunion hatte in der vorigen Woche erklärt, nur unter einem "glaubwürdigen" neuen Regierungschef und unter der Voraussetzung von wirklichen Reformen in der Haushaltspolitik bereit zu sein, die Koalition fortzusetzen.

Die Bereitschaft zum Auszug aus dem Kabinett überwog aber bei der Delegiertenmehrheit des am Sonntag in Warschau tagenden UW-Landesrats. Nur einige Delegierte seien dafür gewesen, eine endgültige Entscheidung noch um eine Woche zu verschieben, meldete die Nachrichtenagentur PAP. Der Warschauer Stadtpräsident Pawel Piskorski sprach sich vor Journalisten dafür aus, Tatsachen zu schaffen und bis Montag, wie zuvor angekündigt, alle liberalen Minister zurückzuziehen. Die Krise war ausgebrochen, nachdem Ministerpräsident Jerzy Buzek einen kommissarischen Verwalter für die Warschauer Zentrumsgemeinde eingesetzt hatte, um eine seit Monaten andauernde Pattsituation zu beenden, die die Arbeit der größten und reichsten Kommunalverwaltung Polens gelähmt hatte. Die Freiheitsunion warf Buzek daraufhin einen Eingriff in die Autonomie der Selbstverwaltung und Rechtsverletzung vor. Buzek hatte bereits in der vergangenen Woche angekündigt, er sei zum Rücktritt bereit, wenn dieser Schritt die Koalition retten würde.

Beobachter rechnen damit, dass die im kommenden Jahr anstehende Wahl wegen der Regierungskrise vorgezogen wird. Jüngste Umfragen sagen der Nachfolgepartei der früheren Sozialisten, der SLD, einen Sieg voraus. Sollte sich die Regierungskrise länger hinziehen, könnte dies auch die Verhandlungen Polens über einen Beitritt zur Europäischen Union beeinträchtigen. Nach dem Rückzug der Freiheitsunion aus der Regierung bleibt der unpopuläre Buzek als Chef einer Minderheitsregierung voraussichtlich im Amt, weil ein neuer Ministerpräsident durch das Parlament bestätigt werden müsste.

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