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Politik: "Libyen-Affäre": Eine unmögliche Geschichte

"Ich habe diesen Sachverhalt aufgeklärt", sagt Uwe-Karsten Heye. Das stimmt zwar nicht, aber was soll der Regierungssprecher sagen?

Von Robert Birnbaum

"Ich habe diesen Sachverhalt aufgeklärt", sagt Uwe-Karsten Heye. Das stimmt zwar nicht, aber was soll der Regierungssprecher sagen? Die "Libyen-Affäre" um den außenpolitischen Kanzlerberater Michael Steiner und eine durch Indiskretion bekannt gewordene Depesche des deutschen Botschafters in Washington, Jürgen Chrobog, nimmt in den Teilen, die in Berlin spielen, immer mehr Züge einer Posse an. Die Regierenden aber könnten dem Spiel allem Anschein nur um den Preis ein Ende machen, dass aus der Posse Ernst wird. Der Fall selbst ist bekannt. Chrobog hatte in seinem Bericht über ein Gespräch in kleinem Kreis bei US-Präsident George W. Bush erwähnt, dass Steiner dort über einen Besuch bei Libyens Staatschef Muammar Gaddafi berichtet hat. "Dieser habe eingestanden, dass sich Libyen an terroristischen Aktionen (La Belle, Lockerbie) beteiligt habe", heißt es in Chrobogs Bericht - eine Formulierung, die von der Bundesregierung amtlich nicht bestritten und weniger amtlich bestätigt wird.

Hat Gaddafi demnach die bisher stets geleugnete Mitwirkung am Anschlag auf die Berliner Diskothek und auf das Flugzeug zugegeben, das eine Bombe über dem schottischen Lockerbie zerfetzte? Heye wiederholt dazu seit Tagen, dass sich Gaddafi in seinem Gespräch mit Steiner am 17. März in Tripolis vom Terrorismus distanziert habe: "Über Einzelfälle wurde nicht gesprochen. Dies und nichts anderes war auch Gegenstand des Gesprächs in Washington am 29. März."

Zum Thema Hintergrund: Der Anschlag auf die Diskothek "La Belle" Chronologie: Stationen der juristischen Aufarbeitung Heye hat diese Sprachregelung am Freitag bekräftigt. Sie lässt Chrobog dumm dastehen. Der Spitzendiplomat aus der Genscher-Schule, der in Kürze als Staatssekretär ins Auswärtige Amt nach Berlin wechseln soll, hätte demnach entweder falsch mitgeschrieben oder von sich aus die beiden Namen eingefügt. Wer Chrobog kennt, muss nachlässige Notizen für ausgeschlossen halten. Unwahrscheinlich aber auch, dass er es für nötig halten sollte, seiner fachlich versierten Leserschaft durch Beispiele nachhelfen zu müssen.

Chrobog, sagt denn auch Außenamtssprecher Andreas Michaelis, habe stets "absolut korrekt und fehlerfrei gearbeitet". Nun spricht in der Tat der interne Ablauf dagegen, dass der Botschafter etwas falsch gemacht hat. Steiner hat den Entwurf des Berichts nicht nur gelesen, bevor das mehrseitige Papier mit dem niedrigsten aller Geheimhaltungsgrade "Vertraulich - nur für den Dienstgebrauch" einem weiten Empfängerkreis in verschiedenen Ministerien zuging. Er hat auch, wie Kenner der Abläufe versichern, Passagen korrigiert und mehrfach zur Verdeutlichung seinen Namen eingefügt. Den Libyen-Absatz hat Steiner nicht geändert.

Dies würde die Vermutung nahelegen, dass Steiner in Washington sehr wohl den Eindruck erweckt hat, er habe von Gaddafi ein Schuldeingeständnis erhalten. Dass das offenbar niemandem aufstieß, mag auch daran liegen, dass Steiner nicht gerade für diplomatische Zurückhaltung bekannt ist. Andererseits gilt in der Bundesregierung als ausgemacht, dass Gaddafi sich um Annäherung an den Westen bemüht. Dazu würde es gehören, dem Terror abzuschwören und vergangene Untaten mindestens pauschal einzugestehen. Dies würde also heißen: Niemand hat sich gewundert, weil da gar nichts Sensationelles stand.

Egal, wie es war, eins zeigt sich immer mehr: Die Regierung kann es nicht offen zugeben, ohne entweder Steiner oder Chrobog unmöglich zu machen. Ob sich diese Linie durchhalten lässt, ist ungewiss. Bei der letzten Obleute-Besprechung des Auswärtigen Ausschusses haben die Vertreter der Fraktionen den Fall zwar als Regierungsangelegenheit gewertet, aber gleichwohl um Aufklärung gebeten. Bleibt vielleicht nur ein Ausweg wie jener, der einmal eine deutsch-französische Krise bereinigt hat. Da hat sich Frankreichs Botschafter in Bonn für böse Worte entschuldigt, von denen er im gleichen Atemzug schwor, sie seien gar nicht gefallen.

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