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Libyen: Bizarrer Fernsehauftritt von Gaddafi

Muammar al-Gaddafi hat sich im libyschen Staatsfernsehen zu Wort gemeldet. "Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela", sagte er und trat damit Spekulationen entgegen, er habe das Land verlassen. Unterdessen spitzt sich die Lage weiter zu.

Tripolis/Rabat - Der Aufstand der Libyer hat die Hauptstadt Tripolis erreicht. Trotz der vielen Toten bei den Demonstrationen der Vortage wagten sich wieder tausende Menschen auf die Straßen. Augenzeugen berichteten von einem „Massaker“ auf dem sogenannten grünen Platz in der Hauptstadt und in zwei weiteren Stadtteilen von Tripolis. Dort sollen Demonstrationszüge nicht nur von Scharfschützen beschossen sogar von der Luftwaffe bombardiert worden sein, berichteten Augenzeugen dem arabischen Fernsehsender Al Dschasira. Die libyschen UN-Diplomaten liefen am Montag fast geschlossen zur Opposition über, und berichteten ebenfalls von Massakern.

In der Nacht zum Dienstag meldete sich der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi zu Wort. Im Staatsfernsehen sagte er: „Ich wollte mit den jungen Leuten auf dem Grünen Platz (in der Innenstadt von Tripolis) reden und mit ihnen die Nacht verbringen, doch dann kam der gute Regen. Hiermit zeige ich: Ich bin in Tripolis und nicht in Venezuela. Hört nicht auf die Ansagen der streunenden Hunde!“ Er trat damit Spekulationen entgegen, wonach er Libyen bereits verlassen haben soll. Er trug während der nur wenige Sekunden langen Aufnahme, einen Regenschirm in der Hand. Er saß dabei in einem alten Auto und murmelte leise vor sich hin.

Die Bundesregierung setzt nach den Worten von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf einen politischen Wechsel in Libyen. Das System von Revolutionsführer Gaddafi könne sich nur noch mit Mord und Totschlag über Wasser halten, sagte Westerwelle am Montag im ZDF. „Wenn eine Herrscherfamilie mit Bürgerkrieg gegen das eigene Volk droht, dann ist sie am Ende“, sagte Westerwelle in Anspielung auf einen Fernsehauftritt von Gaddafis Sohn. Saif al Islam hatte vor einem Bürgerkrieg gewarnt und drohte mit einem Kampf bis zum letzten Mann.

EU kann sich nicht auf Sanktionen einigen

Die Europäische Union verurteilte die Gewalt der Sicherheitskräfte gegen das Volk, durch die nach Angaben von Human Rights Watch mehr als 230 Menschen starben. Auf Sanktionen gegen Gaddafi konnten sich die 27 EU-Staaten aber nicht einigen. Die libysche Regierung hatte damit gedroht, die Zusammenarbeit bei der Abwehr von Einwanderern nach Europa zu beenden, wenn die EU weiter die Demonstranten unterstützen sollte. Vor allem Italien fürchtet einen neuen Strom von Flüchtlingen aus Nordafrika. Italiens Premier Silvio Berlusconi forderte Gaddafi am Montag auf, die Gewalt gegen die Demonstranten zu beenden.

Schon in der Nacht seien mehr als 60 Menschen in Tripolis getötet worden, berichtete der Fernsehsender Al Dschasira und berief sich auf Rettungskräfte. Der britische Sender BBC meldete am Montagabend unter Berufung auf Augenzeugen mindestens 60 weitere Tote. Das Gebäude, in dem das Parlament tagt, stand in Flammen. In Ras Lanuf versuchten Sonderkomitees von Bürgern und Mitarbeitern der Ölraffinerie den Komplex vor Beschädigungen zu schützen, berichteten lokale Medien.

Die meisten libyschen Diplomaten bei den Vereinten Nationen haben sich von Staatschef Muammar al Gaddafi losgesagt und sind auf die Seite der Opposition gewechselt. Lediglich der UN-Botschafter selbst soll noch zu dem umstrittenen Staatschef halten. Sein Stellvertreter Ibrahim Dabbashi warf Gaddafi in einer eilig einberufenen Pressekonferenz in New York Völkermord vor: „Sie schießen, um zu töten“, sagte er. Die Vereinten Nationen müssten eine Flugverbotszone über der Hauptstadt Tripolis ausrufen, damit das Regime nicht weiter mit Waffen versorgt werden könne. Nach Angaben Dabbashis wollen die Diplomaten, die sich von Gaddafi losgesagt haben, im Amt bleiben. „Wir sind nicht Teil des Regimes.“

Justizminister tritt zurück

Der libysche Justizminister Mustafa Abdel-Jalil ist aus Protest gegen den „exzessiven Einsatz von Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten“ zurückgetreten. Das berichtete die libysche Zeitung „Quryna“. Auch der Vertreter Libyens bei der Arabischen Liga in Kairo, Abdulmoneim al Honi, gab seinen Rücktritt bekannt. Zwei Piloten flüchteten mit ihren Kampfjets nach Malta und beantragten dort Asyl.

Die Bundesregierung forderte alle Deutschen auf, Libyen zu verlassen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes befinden sich etwa 500 Deutsche in Libyen. Mehrere Konzerne, darunter Siemens und RWE, begannen, ihre Mitarbeiter auszufliegen. Ein Streik brachte Berichten zufolge die Ölförderung zum Erliegen. Der Ölpreis stieg auf den höchsten Stand seit zweieinhalb Jahren.

Auch in Marokko gab es Unruhen, fünf Menschen kamen ums Leben. Bei Ausschreitungen im Anschluss an Protestkundgebungen seien 128 Menschen verletzt worden, hieß es. Im Jemen und im Königreich Bahrain hielten die Proteste an. Das Auftaktrennen für die neue Formel-1-Saison am 13. März in Bahrain wurde abgesagt. (mit rtr/dpa)

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