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Patronenteppich. Aufständische am Stadtrand von Aschdabija bereiten ihre Munition für den Kampf vor.

© REUTERS

Libyen: EU segnet Hilfsmission ab

Ungeachtet der Drohung des libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi hat die Europäische Union ihre Pläne für eine militärisch begleitete Hilfsmission in Libyen vorangetrieben.

Die 27 Außenminister segneten am Dienstag das Einsatzkonzept ab, das der bereits am 1. April ernannte italienische Befehlshaber Claudio Gaudioso ausgearbeitet hatte. Zur Einsatzstärke kursierten bei dem Treffen in Luxemburg aus Diplomatenkreisen unterschiedliche Zahlen, die zwischen „etwa 2000“ und „deutlich niedriger“ schwankten. Angefordert würden auch mehrere Kriegsschiffe sowie Transportflugzeuge. Gaddafi hatte am Dienstag Angriffe auf mögliche EU-Hilfsmissionen in der umkämpften Stadt Misrata angedroht.

Die Europäer machen eine Entscheidung über den Beginn der Mission von einer Anfrage der Vereinten Nationen abhängig, die über die Genfer Unterorganisation Ocha die humanitäre Hilfe für Libyen koordinieren. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton berichtete, sie habe UN-Generalsekretär Ban Ki Moon per Brief „versichert, dass die EU für einen Einsatz bereitsteht“. Dies nährte Spekulationen, eine Anfrage aus Genf könne mit der Entscheidung in Luxemburg koordiniert sein. „Solche Briefe schreibt man im diplomatischen Prozess ja nicht aus Spaß“, sagte ein deutscher Diplomat dem Tagesspiegel, das Schreiben könne durchaus „zu einer Dynamisierung führen“.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte nach dem Treffen mit seinen EU-Kollegen, er erwarte „eine übergroße Mehrheit im Deutschen Bundestag“ für eine Beteiligung der Bundeswehr an einem EU-Hilfseinsatz, sofern dieser von den UN angefragt werde. „Natürlich werden wir helfen, die Not der Menschen zu lindern“, sagte der Vizekanzler. Ein deutscher Diplomat erklärte, es gebe aus Berlin „eine relativ deutliche Zusage“, sich an der militärischen Absicherung der Hilfskonvois zu beteiligen.

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger zufolge würden nach einer Anforderung durch die UN die sogenannten EU-Battlegroups eingesetzt. Dies sind zwei innerhalb von wenigen Tagen einsatzfähige multinationale Kampfverbände, die nach dem Rotationsprinzip jedes Halbjahr neu besetzt werden. „Eine der Battlegroups würde derzeit maßgeblich von uns bestückt werden“, heißt es im Auswärtigen Amt.

Trotz der klar demonstrierten Einsatzbereitschaft gingen die Aussagen darüber, ob eine solche Hilfsmission derzeit notwendig ist, weit auseinander. Experten des Europäischen Auswärtigen Dienstes, die am Freitag aus der umkämpften Hafenstadt Misrata zurückgekehrt waren, berichteten von Versorgungsmängeln. Allerdings machte sich am Dienstag ein Schiff der Internationalen Organisation für Migration von Italien aus auf den Weg nach Misrata. An Bord sind Nahrungsmittel, Trinkwasser und Arzneimittel.

Der britische Außenminister William Hague hält eine Verstärkung der Luftangriffe auf die Truppen von Gaddafi für wichtiger. Großbritannien stellte dafür weitere Kampfjets zur Verfügung. „Natürlich wäre es zu begrüßen“, sagte Hague, „wenn andere Staaten das auch täten.“

Das bisherige Zögern der UN, auf das EU-Angebot einzugehen, hängt aber offenbar auch mit der Furcht zusammen, die Weltorganisation könne tief in den Konflikt hineingezogen werden. „Dann wird auch der humanitäre Einsatz zum Ziel der Gaddafi-Truppen“, gab der Österreicher Spindelegger die Haltung der UN-Stellen wieder, mit denen er Kontakt hatte. Tatsächlich drohte das libysche Regime den Europäern, sollten sie sich „unter einem humanitären Vorwand“ Misrata nähern.

Die EU-Außenminister verschärften auch die Sanktionen gegen Libyen. Westerwelle berichtete, es seien weitere 26 Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor auf die Liste der von EU-Strafmaßnahmen betroffenen Firmen gesetzt worden. Damit bestehe jetzt de facto ein Öl- und Gasembargo für das nordafrikanische Land.

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