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Libyen-Konferenz in London: Mit dem richtigen Schub

Die internationale Gemeinschaft ringt am Dienstag bei einer Konferenz in London um eine Linie im Libyen-Konflikt. Doch mit welchem Ergebnis?

Die internationalen Bemühungen, im Libyen-Konflikt möglichst rasch zu einer gemeinsamen Haltung zu gelangen, laufen auf Hochtouren: Die Staatschefs der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands konferierten per Videoschaltung, in London trafen sich Vertreter aus rund 35 Staaten. US-Präsident Obama hielt eine Grundsatzrede.

An der Themse ging es am Dienstag darum, eine politische Ordnung in die unter Handlungsdruck zusammengeschmiedete Anti-Gaddafi-Koalition zu bringen und Libyens Übergang in die Zeit nach Gaddafi zu skizzieren. Die Koalition sollte sichtbar um arabische und nordafrikanische Staaten erweitert und Gaddafi in den Augen der arabischen und nordafrikanischen Staaten isoliert werden. Neben den UN, den EU-Staaten, den USA und Kanada waren auch die Arabische Liga und als Einzelstaaten die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar, Tunesien, Marokko, Kuwait und Jordanien vertreten.

Die Abschlusserklärung bekräftigt die UN-Resolutionen, hebt die Verpflichtung auf die politische und territoriale Einheit Libyens hervor, fordert einen sofortigen Waffenstillstand und die Einstellung aller Angriffe auf Zivilisten, spricht Gaddafi „jede Legitimität“ ab und bekräftigt das Recht der Libyer, frei über ihre Zukunft zu entscheiden. Eine Kontaktgruppe soll die internationale Organisationen, den Westen und Staaten der Region zusammenbringen und die weitere Libyenhilfe koordinieren. Das erste Treffen wird von Katar organisiert, das unter den Arabern am eifrigsten die Trommel für die Koalition gegen Gaddafi rührt.

Welche Position vertrat der deutsche Außenminister in London?

Guido Westerwelle war als Koalitionsverweigerer nach London gereist. Nun ging es für die deutsche Diplomatie darum, noch auf den Zug aufzuspringen und sich der Koalition, wenn auch ohne Soldaten, so doch mit gutem Willen anzuschließen. „Deutschland ist nicht neutral“, betonte Westerwelle auf einer Pressekonferenz. „Der Diktator muss gehen“, wiederholte er mehrfach. „Es ist klar, dass es keine Zukunft Libyens mit ihm geben kann. Das ist eine klare gemeinsame Auffassung.“ Die von Frankreich, Großbritannien und den USA geführte Koalition will zwar von dem Wort „Regimewechsel“ nichts hören, aber mit ihrem Militäreinsatz und mit der Londoner Konferenz betreibt sie klar Gaddafis Abgang.

Wie trat die libysche Opposition auf?

Mit einer Erklärung über ein „demokratisches Libyen“ skizzierte die Opposition den Prozess nach dem Sturz Gaddafis und warb damit um Vertrauen. Darin werden eine rechtsstaatliche Verfassung, allgemeines Wahlrecht, Freiheit der Rede, die Zulassung politischer Parteien und „intellektueller und politischer Pluralismus“ zugesagt. „Dies sind die richtigen Absichten und Versprechungen“, sagte der britische Außenminister William Hague. Seine US-Kollegin Hilary Clinton gab aber zu: „Wir wissen nicht so viel über die Opposition, wie wir gerne wissen würden“. Dennoch wurden durch die Kontakte in London Hilfszusagen erleichtert. Auch Westerwelle sagte dem Führer des oppositionellen libyschen Nationalrats, Mahmud Dschibril, Hilfen zu. Frankreich und Katar haben den Übergangsrat der Rebellen schon als legitime Regierung anerkannt.

Welchen Kurs verfolgt Obama?

Zehn Tage lang waren die USA verwirrt und gespalten. Am 18. März hatte Obama den ersten selbstgewählten Krieg begonnen, war aber zunächst für fünf Tage ins Ausland gereist, statt der Nation sein Handeln zu erklären. Währenddessen kritisierten die einen, die USA sollten sich aus Libyen heraushalten, weil dort keine herausragenden nationalen Interessen bedroht sind. Andere warfen ihm Zögerlichkeit vor. In einer 27-minütigen Rede an der National Defense University erklärte Obama nun seine Prinzipien, wann er Militär einsetze. Erstens zur Verteidigung nationaler Interessen; dazu zähle auch Amerikas Wertesystem. „Andere Nationen können es sich vielleicht erlauben, wegzusehen, wenn in anderen Ländern Gräueltaten geschehen. Amerika ist anders.“ Das kann, wer will, als Seitenhieb gegen die Bundesregierung und ihre Enthaltung im UN-Sicherheitsrat verstehen. Obama benutzte den Satz jedoch als innenpolitisches Argument: Es sei unamerikanisch, ein drohendes Massaker zuzulassen, wenn man es verhindern könne.

Zweitens müsse Amerika in jedem Einzelfall Kosten und Risiken abwägen. Die USA können nicht immer und überall eingreifen. In Libyen seien die Kosten der Passivität höher als die Kosten der Intervention. Drittens solle Amerika nicht allein handeln, sondern eine breite internationale Koalition bilden. Im Fall Libyen zählen Europäer und Araber dazu.

Wie sieht Obamas Exit-Strategie aus?

Vor allem sollen die USA nicht ungewollt immer tiefer in die Kämpfe in Libyen hineingezogen werden, weil die Entwicklung am Boden und die Kriegsziele das erfordern. Obama bekräftigte, er werde keine US-Bodentruppen schicken. Der Sturz Gaddafis sei ein politisches Ziel und gehöre nicht zu den militärischen Zielen. Obama möchte, dass die Libyer den Sturz Gaddafis selbst herbeiführen. Die Führung der Luftoperation zum Schutz der Zivilbevölkerung übergibt Amerika an die Nato. Unausgesprochen blieb, dass die USA dieses Ziel inzwischen sehr weitgehend interpretieren und Gaddafis Truppen mit Spezialflugzeugen auch dort angreifen, wo nicht unmittelbar ein Massaker droht.

Wie ist die Rede angekommen?

Die meisten Kommentatoren lobten, Obama habe seinen Kurs überzeugend begründet. Offen bleibe aber, was aus diesen Prinzipien für die US-Politik gegenüber Freiheitsbewegungen in anderen arabischen Ländern folge. Mehrere Republikaner, darunter Senator John McCain, kritisierten, Obamas Rede sei „eine Ermutigung für Gaddafi“. Er wisse nun, dass die USA ihn nicht gewaltsam stürzen; folglich werde er seine Macht nun erst recht gegen die libysche Opposition verteidigen.

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