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Libyen: Wie könnte eine Lösung aussehen?

Die Türkei will den internationalen Druck auf den libyschen Machthaber Muammar Gaddafi erhöhen. Das Treffen der Libyen-Kontaktgruppe in Istanbul am Freitag soll entscheidende Fortschritte bringen.

Für das vierte Treffen der internationalen Libyen-Kontaktgruppe an diesem Freitag in Istanbul hat sich die türkische Regierung als Gastgeberin vorgenommen, einen breiten Konsens in einem wichtigen Punkt des Konflikts zu schmieden: Die Türken wollen internationales Einvernehmen über die Forderung nach einem Rücktritt Gaddafis erzielen. Sollte das gelingen, könnte das der Anfang vom Ende Gaddafis sein.

Welche Erwartungen sind an das Treffen der Libyen-Kontaktgruppe geknüpft?

„Gaddafi muss gehen“, sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu kürzlich bei einem Besuch in der libyschen Oppositionshochburg Bengasi. Wie Deutschland und andere westliche Staaten hat die Türkei den nationalen Übergangsrat als legitimen Vertreter Libyens anerkannt. Zudem hat Ankara eine Finanzhilfe von insgesamt 300 Millionen Dollar für die Gaddafi-Gegner in Aussicht gestellt. Doch Gaddafi leistet weiter zähen Widerstand, von einem Rücktritt will er zumindest offiziell nichts wissen.

Das Treffen in Istanbul wird hochkarätig besetzt sein. So haben sich US-Außenministerin Hillary Clinton, ihre französischen und britischen Amtskollegen, EU-Außenministerin Catherine Ashton sowie der UN-Sondergesandte Abdelilah Al-Khatib und der libysche Oppositionsführer Mahmud Dschibril angesagt. Russland und China wurden erstmals eingeladen, werden wahrscheinlich aber nicht vertreten sein. Das Kontaktgruppen-Treffen soll entscheidende Fortschritte bringen. Allmählich sei es auch Zeit dafür, sagte ein hochrangiger türkischer Diplomat: „Das ist jetzt das vierte Treffen, und innerhalb der Kontaktgruppe gibt es gestiegene Erwartungen und den Wunsch nach einer politischen Lösung.“

Um welche Strategien geht es bei der Konferenz? Weiter auf Seite 2.

Zwei unterschiedliche Pläne für die Zukunft Libyens sollen in Istanbul auf einen Nenner gebracht werden. Die Türkei hat in ihrer „road map“ einen Stufenplan aus sofortiger Waffenruhe, einem Abtreten Gaddafis und anschließenden Vorbereitungen auf Wahlen und eine neue Verfassung vorgezeichnet. Die „road map“ der Afrikanischen Union (AU), die ebenfalls in Libyen vermittelt, ähnelt dem türkischen Plan, unterscheidet sich aber in einem entscheidenden Punkt: Die AU erwähnt die Forderung nach Gaddafis Rücktritt nicht. Die Türkei will nun erreichen, dass sich die mehr als 40 beteiligten Länder und Organisationen in Istanbul auf eine gemeinsame Linie einigen.

Sollten die Türken in Istanbul breites Einvernehmen über das weitere Vorgehen herstellen können, entstünde zumindest eine einheitliche „road map“ für die internationale Gemeinschaft, „so dass alle ein und dieselbe Botschaft verbreiten“, wie der türkische Diplomat sagte. Ob die Vertreter der Afrikanischen Union in Istanbul mit ins Boot genommen werden können, wird sich aber erst im Laufe der Gespräche selbst zeigen.

Was ist über die Bereitschaft Gaddafis bekannt, seinen Platz zu räumen?

Es sei derzeit unklar, ob sich Gaddafi dazu bewegen lassen werde, mit seiner Familie in ein aufnahmewilliges Land ins Exil zu gehen, sagte der türkische Diplomat. Auch ein internes Exil für den Diktator sei eine Option. Hillary Clinton berichtete vor ihrer Abreise nach Istanbul ebenfalls über widersprüchliche Signale aus der libyschen Führung, was einen möglichen Rücktritt Gaddafis angehe. So oder so seien die Tage des Diktators an der Macht aber gezählt.

Clintons französischem Kollegen Alain Juppé zufolge haben libysche Regierungsvertreter angedeutet, dass Gaddafi zum Rücktritt bereit ist. Gespannt warten die Teilnehmer des Istanbuler Treffens darauf, was der UN-Gesandte Al-Khatib, der Mann mit den intensivsten Kontakten zu beiden Seiten des Konflikts, zur Frage eines möglichen Gaddafi-Rücktritts zu sagen haben wird.

Warum drücken die Türken so aufs Tempo? Lesen Sie weiter auf Seite 3.

Warum drücken die Türken so aufs Tempo? Das hat mit mehreren Entwicklungen zu tun. So kommen die Gespräche zwischen der libysche Das hat mit mehreren Entwicklungen zu tun. So kommen die Gespräche zwischen der libyschen Opposition und der Gaddafi-Regierung offenbar nicht vom Fleck. Die Opposition verlangt Gaddafis Abgang mit anschließenden politischen Reformen, die Regierung besteht darauf, zuerst die Reformen in Angriff zu nehmen und erst dann über Gaddafis Schicksal zu reden. Der UN-Gesandte Al-Khatib sagte nach einem Besuch in Tripoli vor wenigen Tagen, der Graben zwischen Regierung und Opposition sei nach wie vor tief.

Die militärische Patt-Situation in Libyen bereitet den türkischen Diplomaten ebenfalls Sorge, denn sie birgt die Gefahr einer Teilung des Landes. Kurzfristig droht dazu noch ein ganz anderes Risiko: Anfang August beginnt der muslimische Fastenmonat Ramadan, was die Nato mit ihren Luftangriffen in Libyen nach türkischer Einschätzung in Schwierigkeiten bringen könnte. Sollte die Nato im heiligen Monat der Muslime weiter angreifen, würde dies von der libyschen Regierung wahrscheinlich als westliche Attacke auf den Islam propagandistisch ausgebeutet. Stellt die Allianz ihre Angriffe aber ein, gibt sie Gaddafi die Chance, seine Truppen neu zu formieren. Eine Wahl zwischen zwei schlechten Möglichkeiten, wie der türkische Diplomat sagte.

Für Dschibril und die libysche Opposition geht es in Istanbul auch ums Geld. Die Gaddafi-Gegner hoffen auf weitere Finanzhilfen. Ein Transfer der von den UN gesperrten Auslandsguthaben des libyschen Regimes an die Opposition ist derzeit nicht möglich – dazu müssten erst die bestehenden UN-Resolutionen geändert werden, hieß es vor dem Treffen der Kontaktgruppe. Stattdessen ist im Gespräch, der Opposition Kredite zu gewähren, bei denen die gesperrten Auslandsguthaben als Sicherheiten dienen könnten.

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