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Ärzte statt Autos. Die Türkei hat eine Autofähre zu einem provisorischen Krankenhaus umfunktioniert und in die Rebellenhochburgen nach Libyen entsandt. In Misrata und Bengasi nahmen die Helfer insgesamt 300 Verletzte auf, die in Izmir versorgt werden sollen.

© Reuters

Libyenkonflikt: Die Retter aus Ankara

Rechtzeitig zum heutigen Besuch von NATO-Generalsekretär Rasmussen in Ankara hat die Türkei mit einer spektakulären Rettungsaktion in Libyen unterstrichen, wo sie die Prioritäten in dem nordafrikanischen Land sieht.

Mit einer humanitären Hilfsaktion und neuen Bemühungen um einen Waffenstillstand hat die Türkei ihre Sonderrolle im Libyenkonflikt unterstrichen. Eine von Kampfflugzeugen und einem Kriegsschiff beschützte Autofähre der Türkei war am Montag mit rund 300 Verwundeten aus der umkämpften Stadt Misrata sowie aus der Oppositionshochburg Bengasi an Bord auf dem Rückweg in die Türkei. Gleichzeitig gab Ankara geplante Gespräche mit Unterhändlern der libyschen Regierung und der Opposition über einen Waffenstillstand bekannt. Die türkische Regierung sprach am Montag auch mit Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen über den Libyenkonflikt.

Die Autofähre „Ankara“ war vergangene Woche von der Türkei aus Richtung Libyen gestartet. An Bord befand sich ein 15-köpfiges Medizinerteam, türkische Elitesoldaten und einige Tonnen Medikamente. Im Laderaum, wo normalerweise die Autos auf der Fähre abgestellt werden, legten die Türken Matratzen für die Verwundeten aus. Mehrere Tage musste die „Ankara“ vor der libyschen Küste warten, bis das Außenamt in Ankara bei Gesprächen mit Regierung und Opposition die nötigen Sicherheitsgarantien erhalten hatte und grünes Licht für das Einlaufen in den Hafen gab. Zwölf aus der Türkei entsandte Kampfjets des Typs F-16 und eine türkische Fregatte beobachteten die Aktion.

Mit 230 Verwundeten und 60 Angehörigen fuhr die „Ankara“ anschließend nach Bengasi, wo sie weitere 70 Verletzte sowie 30 türkische Staatsbürger und Ausländer an Bord nahm, bevor sie den Rückweg zum türkischen Hafen Cesme antrat. Dort sollen die Verletzten auf Krankenhäuser der Region verteilt werden.

Zwei Dinge zeichnen sowohl die Mission der „Ankara“ als auch die türkische Haltung im Libyenkonflikt insgesamt aus: die Betonung der humanitären Hilfe sowie die Kontakte zu allen Konfliktparteien. Der Westen und insbesondere Frankreich hätten mit Bezug auf das Gaddafi-Regime „alle Brücken abgebrochen“, sagte ein türkischer Diplomat. Die Türkei, das einzige muslimische Nato-Mitglied und eine aufstrebende Regionalmacht, sei dagegen mit beiden Seiten im Gespräch.

Außenminister Ahmet Davutoglu demonstrierte das am Montag mit der Ankündigung, er werde mit dem libyschen Vize-Außenminister Abdul Latif al Obeidi sprechen, der aus Athen kommend in Ankara erwartet wurde. Die libysche Opposition sei informiert. Es gehe um einen möglichen Waffenstillstand. Möglicherweise werde schon bald auch ein Abgesandter der Gaddafi-Gegner in die türkische Hauptstadt kommen.

Aus eigener Sicht füllt die Türkei eine Lücke, die sich durch das Vorgehen des Westens in Libyen aufgetan hat – Ankara kritisiert, es gebe keinerlei Strategie, um die Militärschläge politisch zu unterfüttern. „Wir müssen entscheiden, was wir am Ende wollen“, sagte ein türkischer Diplomat über das westliche Lager. „Wollen wir Gaddafi von der Macht verdrängen? Was geschieht, wenn Gaddafi weg ist? Schicken wir Bodentruppen?“

Die Türkei selbst hat Gaddafi wiederholt zum Rücktritt aufgerufen. Bemühungen um einen Zeitplan für einen Übergang zur Demokratie wurden nach Angaben Ankaras durch den Beginn der westlichen Luftangriffe Mitte März unterbrochen. Ob Gaddafi gehen müsse oder nicht, hänge auch von der libyschen Opposition ab, sagte der Diplomat. „Wir vermitteln nur. Wir unterstützen nicht Gaddafi, wir unterstützen eine Lösung, mit der beide Seiten leben können.“

Mit Rasmussen stimmt die Türkei in der Ablehnung von Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen überein. Zufriedenheit herrscht in Ankara auch darüber, dass die Nato die humanitären Aspekte der Libyenaktion von Izmir aus leitet. Mit dem Gast aus Brüssel besprach Erdogan am Montag unter anderem die Bemühungen um eine Waffenruhe.

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