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Liebe und Bürokratie: Zu lange im Ausland – kein guter Deutscher?

Bernd Mouheddin-Schmidt hat eine marokkanische Frau geheiratet. Nun zweifeln die deutschen Behörden daran, ob der gebürtige Rostocker überhaupt noch nach Deutschland gehört. Eine Geschichte über Liebe und Bürokratie.

An nicht integrierte Migranten hat sich die öffentliche Debatte gewöhnt. Aber es gibt offensichtlich auch nicht integrierte Deutsche, sogar ganz ohne Migrationshintergrund. Dem Verdacht liefert zum Beispiel Nahrung, wer sich zu viele Monate des Jahres im Ausland aufhält. Oder Arabisch versteht. Oder einfach in keinen Verein eintreten will.

So geschehen im Fall des 46-jährigen Göttingers Bernd-Mouheddin Schmidt. Der Ingenieur, als Sohn deutscher Eltern in Rostock geboren, in Thüringen und Mecklenburg aufgewachsen und Absolvent der DDR-Militärhochschule, ist seit knapp zwei Jahren mit einer Marokkanerin verheiratet. Im April 2007 beantragte das Paar ein Visum für die Ehefrau. Doch die deutsche Botschaft in Marokkos Hauptstadt Rabat weigerte sich unter Hinweis darauf, dass die Ehe eine Scheinehe sein könnte. Als Schmidts Frau Fatiha, die auch den jetzt vorgeschriebenen Deutschtest für nachziehende Familienmitglieder bestanden hatte, dies widerlegen konnte, blieb es bei der Ablehnung – diesmal mit der Begründung, der Ehemann habe erfolglos versucht, sich selbstständig zu machen und verfüge über keinen sicheren Lebensunterhalt.

Zugleich meldete die Botschaft im Ablehnungsbescheid Zweifel an, ob auch der Ehemann wirklich nach Deutschland gehöre: „Es ist nicht ersichtlich, dass Ihr Mann stark in die deutsche Gesellschaft integriert ist“, heißt es im Brief an die Ehefrau. „Er hat keinen Arbeitsplatz in der Bundesrepublik und ist auch nicht für Vereine oder Ähnliches tätig. Durch Ihre Angaben und auch durch die Ihres Mannes in den beiden Befragungen wird offensichtlich, dass Herr Schmidt stark dem arabischen Raum zugeneigt ist. Er ist praktizierender Moslem, schaut arabisches Fernsehen und weiß die marokkanische Kultur zu schätzen. Während der letzten eineinhalb Jahre hielt sich Ihr Mann fast acht Monate in Marokko auf.“

Hintergrund der kuriosen Beweisführung ist eine neue Regel, die seit August 2007 nicht mehr nur den Familiennachzug von Bürgern nichteuropäischer Länder beschränkt, sondern auch den von Deutschen. So kann einem Deutschen der Nachzug seiner ausländischen Partnerin oder des Partners zwar nicht verweigert werden, weil er oder sie die Familie nicht ernähren können. Inzwischen gilt aber „die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland“ als „zumutbar“ auch für Deutsche, etwa wenn sie Doppelstaaatler sind oder „geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet haben und die Sprache dieses Staates sprechen“.

Bernd-Mouheddin Schmidt hat inzwischen den Petitionsausschuss des Bundestags um Hilfe gebeten. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen – Schmidt ist übrigens Mitglied nicht nur der Linken, sondern auch bei Hansa Rostock und damit gesellschaftlich deutlich aktiver als von der Botschaft in Rabat behauptet – hat das Thema Einschränkungen des Ehegattennachzugs für Deutsche aber auch zum Thema einer Kleinen Anfrage gemacht. Die Antwort des Innenministeriums, die dem Tagesspiegel vorliegt, lässt darauf schließen, dass das Thema auch der Regierungsbank nicht ganz geheuer ist – und man vielleicht nicht einmal viel darüber weiß. Nein, warum Visa verweigert würden, werde statistisch nicht erfasst, es könne „insofern keine Aussage gemacht werden“, wie sich die Neufassung des Aufenthaltsgesetzes auswirke. Nein, die Bundesregierung habe „keine systematische Kenntnis“ der Praxis der Ausländerbehörden, und sie habe auch „bislang keine Kenntnis von Gerichtsurteilen im Visumstreitverfahren“, bei denen es um den nichteuropäischen Partner einer oder eines Deutschen ging.

Ein bisschen Hoffnung für Eheleute wie die Schmidts macht die Antwort aus dem Hause Schäuble dann aber doch: „Die Bundesregierung“, heißt es, „wird die Anwendung der Neuregelungen zum Famliennachzug im Gesetz vom 19. August 2007 zu gegebener Zeit evaluieren.“ Höchste Zeit wäre es für das Göttinger Paar längst: Ihre Anwältin Kristin Warthemann, die die Sache vor dem Verwaltungsgericht Berlin vertritt, sieht hier neben dem Recht auf Religionsfreiheit auch den grundgesetzlichen Schutz der Ehe verletzt: „Im Ergebnis wird den Eheleuten ein gemeinsames Eheleben seit fast zwei Jahren faktisch verwehrt.“

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