zum Hauptinhalt

LIeferstreit: EU-Experten sollen Gasfluss sichern

Nach ihrem Treffen mit Russlands Premier Putin spricht sich Bundeskanzlerin Merkel für eine „Testphase“ bei den Gaslieferungen aus. Brüssel verschärft derweil den Ton im Lieferstreit.

Von Matthias Schlegel

Berlin - Ein einziges Mal bedient sich der russische Premier Wladimir Putin bei der Pressekonferenz nach seinem Gespräch mit der Bundeskanzlerin der ihm durchaus vertrauten deutschen Sprache: Auf die Feststellung von Angela Merkel, es sei wohl auch im russischen Interesse, dass in Europa wieder Gas ankomme, sagt Putin militärisch: „Jawoll!“.

Länger als eine Stunde hatten sie zuvor diskutiert, und die vielköpfige Schar der Journalisten muss am Freitagabend im Kanzleramt eine halbe Stunde länger als geplant auf den Auftritt der beiden Regierungschefs warten. Die Unterschiedlichkeit der Botschaften, die da ausgesendet werden sollen, wird dann rasch klar: Während Merkel immer wieder darauf beharrt, dass es zu einer schnellen Einigung zwischen Russland und der Ukraine kommen müsse, damit unverzüglich wieder Gas nach Europa fließen könne, nutzt Putin die Aufmerksamkeit der Medien, um noch einmal der Ukraine die Schuld am derzeitigen Desaster zuzuschieben. Kiew stehle für Westeuropa und den Balkan bestimmtes russisches Gas. „Es ist euer Gas“, sagt er den Deutschen.

Merkel will Testphase

Merkel spricht sich für eine „Testphase“ gemeinsam mit Gasprom und Naftogas unter Einbeziehung von EU-Experten aus, um die derzeitige Blockade der Gaslieferungen umgehend zu beenden. Nach Ansicht Putins sollten die internationalen Fachleute den technischen Zustand der ukrainischen Gasbeförderungssysteme überprüfen. Sie sollten sich damit auch ein Urteil bilden über das Argument der Ukrainer, die Weiterleitung des Gases nach Europa behindere deren Binnenverbrauch.

Der russische Premier hat eine Größenordnung parat, die das russische Interesse an einer baldigen Lösung umreißt: Einen Verlust von 1,1 Milliarden Dollar habe Gasprom bislang durch die Lieferstopps erlitten. Die Ukraine habe aber bislang alle Vorschläge von russischer Seite abschlägig beschieden. Nun aber glaubt auch Putin Fortschritte zumindest in einer Frage zu erkennen. Die wichtigsten europäischen Partner seien aufgeschlossen gegenüber der Idee, ein Konsortium zu bilden. Das soll der Ukraine jenes technische Gas liefern, das für den Betrieb der Kompressorenstationen notwendig ist. Denn auch die Frage, wer die Kosten für dieses Gas trägt, ist ein Streitpunkt zwischen Russland und der Ukraine. Aber die Formel ist einfach: ohne technisches Gas keine Kompression, ohne Kompression kein Gastransport durch die Röhren.

Krisengipfel in Moskau

Nun richten sich alle Hoffnungen auf den Krisengipfel am Sonnabend in Moskau, den Russlands Präsident Dmitri Medwedew angeregt hatte. Die Europäische Union verstärkte am Freitag noch einmal ihren Druck auf die Kontrahenten. Die EU werde ihre Beziehungen zu beiden Staaten überprüfen, falls das russische Gas in der kommenden Woche nicht wieder nach Europa fließe. Die Beendigung der Liefersperre sei ein „Testfall, um zu beurteilen, ob sie (Moskau und Kiew) glaubwürdige Partner sind“, sagte EU-Kommissionssprecher Johannes Laitenberger. Die Bundeskanzlerin sieht Deutschlands Interessen durch die Teilnahme von EU-Energiekommissar Andris Piebalgs in Moskau angemessen vertreten. Auch die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko will – trotz Kritik von Präsident Juschtschenko – an dem Treffen teilnehmen. Dennoch kündigte die Ukraine kurzfristig noch ein eigenes internationales Krisentreffen in Kiew an.

Bevor Merkel und Putin die Pressekonferenz verlassen, weist der russische Premier noch auf darauf hin, dass durch die deutsch- russischen Wirtschaftsbeziehungen in Deutschland 70.000 Arbeitsplätze gesichert würden. Das kann man auch als Drohung verstehen. Doch für Nachfragen ist keine Zeit mehr: Über dem Kanzleramt kreist schon der Hubschrauber. Putin muss nach Dresden, um sich von Regierungschef Stanislaw Tillich auf dem Semperopernball den sächsischen Dankesorden anheften zu lassen. Neben ernsthafter Kritik etwa von der Gesellschaft für bedrohte Völker, die an den Tschetschenienkrieg erinnerte, gab es dafür auch manch hämisches Wort. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Werner Schulz teilte an beide aus und sprach von einem „richtigen kleinen Konzert: Blockflöte für Tschekisten“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false