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Sahra Wagenknecht.

© dpa

Linke: Antikapitalismus beim Edelitaliener

Die Linke verabschiedet ihre Programmkommission, ohne dass der inhaltliche Streit geschlichtet ist. Die Partei lobt das Programm als "eine große Leistung in Anbetracht der Meinungsvielfalt der Partei".

Von Matthias Meisner

Berlin - Es trifft sich ein Gremium, das es gar nicht mehr gibt. Die Linken-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst haben die Mitglieder der Programmkommission der Partei für diesen Mittwoch zum Essen ins italienische Restaurant Il Punto nach Mitte eingeladen – zum Dank für den, wie Lötzsch es ausdrückte, „qualifizierten Programmentwurf“. Das im Frühjahr von der Kommission unter Oskar Lafontaine und Lothar Bisky vorgestellte Kompromisspapier lobte sie am Dienstag: „Das ist eine große Leistung in Anbetracht der Meinungsvielfalt in unserer Partei.“

Die Kommission selbst gibt es nicht mehr – der Parteivorstand hatte im Juli auf einer Klausurtagung am Wannsee entschieden, dass ihre Arbeit als beendet angesehen wird. Eingesetzt wurde stattdessen eine vierköpfige Redaktionsgruppe, der neben der Kommunistin Sahra Wagenknecht noch Ralf Krämer, Mitbegründer der WASG und Sprecher der Sozialistischen Linken, Parteivize Katja Kipping und – als Vertreter des Reformerflügels – Sachsen-Anhalts Linken-Chef Matthias Höhn angehören.

Kurz vor Ende ihrer Amtszeit, die im Mai endete, hatten die damaligen Linken- Chefs Lafontaine und Bisky den Grundsatzprogrammtext vorgelegt. Mehrheitlich standen die Mitglieder der Kommission Lafontaine nahe. Entsprechend schwärmte etwa Kommissionssekretär Harald Schindel, damals Lafontaines Büroleiter, in der „Jungen Welt“ über ein „Programm, das Zukunft atmet“, es trage eine „moderne links-sozialdemokratische Handschrift mit einer Perspektive für den demokratischen Sozialismus“. Er verteidigte die antikapitalistische Tonlage und warnte die parteiinternen Kritiker, sie sollten nicht „an arbeitnehmerfeindliche Ressentiments der verstaubten New-Labour-Generation“ appellieren. „Wer wieder das Programm der PDS will, der muss auch mit ihren Wahlergebnissen leben.“

Die Pragmatiker fühlten sich damals abserviert. Birte Bull aus Sachsen-Anhalt sagte, die gesellschaftliche Analyse im Entwurf lese sich „eher wie die Illustration des Grauens“, der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich machte ein „neokommunistisches Politikverständnis“ aus. Bundestagvizepräsidentin Petra Pau sagte, der Entwurf sei ihr „zu schwarz- weiß, zu widersprüchlich, zu beliebig“.

Für den Herbst sind Basiskonferenzen angesetzt, bei denen Landesverbände aus Ost und West zusammen über den Text beraten, anschließend soll es am 6. November in Hannover einen „Programmkonvent“ geben. Verabschiedet werden soll das Grundsatzprogramm nach einem Parteitag Ende 2011 per Urabstimmung.

Der Verfassungsschutz hat die Zusammensetzung der Programmkommission jüngst noch als Indiz dafür gesehen, dass radikale Kräfte in der Linken nicht marginalisiert sind. Wie sich die Kräfteverhältnisse nun austarieren, ist offen. Aus dem Reformerflügel heißt es, die Programmdebatte werde zur „Nagelprobe“ für Ernst und Lötzsch. Die Auflösung der Programmkommission sei für sie ein „Befreiungsschlag“ gewesen, nun könnten sie „das Ruder von Lafontaine an sich reißen“. Lötzsch versichert, selbstverständlich werde die vorliegende Fassung korrigiert und überdacht: „Wir bräuchten keine ausführliche Diskussion, um dann zu sagen, wir müssen nichts ändern.“ Schließlich wolle man „die Basis ernst nehmen“. Parteivize Wagenknecht dagegen betont, es gehe nicht darum, den Entwurf „umzumodeln“. Zumal die Reaktionen der Basis – wenige Ost-Funktionäre ausgenommen – „durchweg positiv“ seien. „Die Fahrtrichtung bleibt.“

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