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Politik: Linke Entwicklung

Die bayerische Linkspartei wählt mit ganz knappen Mehrheiten neue Sprecher

Ein Stück Kuchen gönnte sich Gregor Gysi noch, dann ließ er die bayerischen Genossen in der Schweinfurter Stadthalle mit ihren Personalquerelen wieder allein. Als Mediator war er zum Sonderparteitag ins Unterfränkische gerufen worden. Nicht sein Job eigentlich, merkte der Chef der Bundestagsfraktion freundlich an. Das stundenlange Austeilen, Vorhalten und Kleinklein um Köpfe wollte sich der Gast aus Berlin denn auch gar nicht antun. Er redete dem zerstrittenen Landesverband ins Gewissen und legte ihm nahe, die „Selbstbeschäftigung etwas zu reduzieren“.

Seit Monaten wird im Landesverband wenig Politik, dafür viel Polemik nach innen betrieben. Der Vorstand: heillos zerstritten. Die Basis: sauer. Dass der außerordentliche Parteitag, bei dem ein neues Führungsduo gewählt werden sollte, an diesem Wochenende in Schweinfurt stattfindet – pikant. Es ist die Heimat von Klaus Ernst. Der dortige IG-Metall-Chef, WASG-Mitbegründer und designierte Bundesvorsitzende der Linkspartei ist ausgerechnet im eigenen Landesverband eine Reizfigur. Zumindest links außen, beim Grüppchen um den bisherigen Landessprecher Franc Zega. Der machte mit einem Brief an die 3000 Mitglieder Schlagzeilen: Zega warf Ernst „Gutsherrenart“ vor und sprach ihm die Eignung zum Bundesvorsitzenden ab. Spätestens da war es aus mit dem Frieden in der selbsternannten Friedenspartei.

Gysi seufzte: Ja, in Bayern sei man eben „noch in der Entwicklung“. Doch der Landesverband habe „jetzt eine herausragende Bedeutung, nehmt das bitte zur Kenntnis“, mahnte er. In einer pluralistischen Partei müsse man lernen, „vor anderen Anschauungen Respekt“ zu haben. „Am besten ist, man wählt Vereiniger. Nicht nur im Freistaat, auch an der Bundesspitze“. Kopfschüttelnd hielt Gysi den 178 Delegierten entgegen: „Wenn einer aus eurem Landesverband Bundesvorsitzender wird, das schwächt euch doch nicht, das stärkt euch doch.“ Und abschließend: „Was wären wir denn für eine Linke, wenn wir nicht in Gewerkschaften verankert wären?“.

Dann war Gysi weg, der Zoff begann: Landessprecher Franc Zega hielt den Vorstandskollegen im Rechenschaftsbericht Untätigkeit vor. Landessprecherin Eva Bulling-Schröter, die nach zehn Jahren nicht mehr antrat, warf Zega vor, sich „als Märtyrer aufzuspielen“. Klaus Ernst, am Vormittag noch im Wahlkampf in NRW, gesellte sich irgendwann dazu – lächelnd, schweigend. Die Frau, die sein Schweinfurter Wahlkreisbüro schmeißt, kandidierte für den Posten der Landessprecherin: Eva Mendl, 55 Jahre, gebürtige Ost-Berlinerin, offen zur einstigen SED-Mitgliedschaft stehend, jetzt Kreisrätin. Mit 51,7 Prozent der Stimmen setzte sie sich gegen die kaum vernetzte Coburgerin Martina Tiedens durch. Der Münchner Michael Wendl erzielte 53,6 Prozent. Einmütiger Rückhalt sieht anders aus.

Alice Natter[Schweinfurt]

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