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Die Linke kam in Erfurt zu ihrem Parteitag zusammen.

© IMAGO/Karina Hessland

Linke-Politikerin Fellinger geht ihre Partei an: „Frieden kommt nicht, wenn man die Leute sterben lässt“

Die Linke debattiert ihre Haltung zu Russland. Ein Parteimitglied veranlasst das zu einer Wutrede - und Sahra Wagenknecht erlebt eine Niederlage.

Der Parteitag der Linken läuft gerade erst ein paar Stunden, als es Sofia Fellinger reicht. Nachdem mehrere Redner über den Krieg in der Ukraine gesprochen haben, tritt sie ans Mikrofon im Saal der Erfurter Messe. „Ich finde es unerträglich, die ganzen Wortbeiträge gehört haben zu müssen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Leid ich und meine Familie und die Ukraine durchmachen.“

Die 19-jährige Studentin ist in Köln geboren, ihre Mutter stammt aus der Ukraine. Die Großmutter lebt in Saporischtschja im Südosten der Ukraine.

Um kaum ein anderes Thema wird bei den Linken derzeit so erbittert gestritten wie um die Haltung zu Russland. Der Parteivorstand wollte deshalb in Erfurt eine Klärung in dieser Frage herbeiführen. Fellinger fragt die Delegierten, warum es keinen Aufschrei gegeben habe, als ein Redner beide Seiten im Ukraine-Krieg als imperialistisch bezeichnete.

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Es werde argumentiert, die Linke sei eine Friedenspartei. „Frieden kommt aber nicht, wenn man die Leute sterben lässt“, ruft die Delegierte in den Saal. Fellinger rät ihren Parteifreunden, doch mal Urlaub in Donezk oder Saporischtschja zu machen und dort für den Frieden zu beten.

Für ihre Intervention bekommt Fellinger im Saal der Erfurter Messe viel Applaus. Die Generaldebatte zuvor war tatsächlich geprägt von Wortmeldungen, in denen die Schuld am Krieg in der Ukraine nicht nur bei Russland gesucht wird. Ein Delegierter sieht den Kapitalismus als eigentliche Ursache.

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Der Bremer Linke Sebastian Rave sagt, der Krieg sei „auch ein Stellvertreterkrieg der Nato gegen Russland“. Die Waffenlieferungen an die Ukraine dienten dazu, Russland zu „schwächen“. Und überhaupt sei es das „Bürgertum“, das diesen Krieg bis zum Ende führen wolle. Die Linke brauche eine „unabhängige Klassenposition“.

Am Morgen nach der Intervention von Sofia Fellinger steht ein Mann im Foyer der Erfurter Messe, der die linke Zeitung „Junge Welt“ verteilt. Auf seinem schwarzen T-Shirt steht in russischer Sprache: „Volksrepublik Lugansk“  - also das von Moskau gesteuerte Separatistengebiet in der Ostukraine.

Vorschlag von Wagenknecht zurückgewiesen

In der Linkspartei gibt es eine nicht gerade kleine Minderheit, intern manchmal als „Russia Today“ verspottet, die in den vergangenen Jahren die Politik des Kremls eisern gegen Kritik verteidigte.

Eine Gruppe um die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht sprach sich vor dem Parteitag dafür aus, die Verurteilung des russischen Angriffskriegs und der imperialistischen Politik Moskaus aus einem Leitantrag zur Außen- und Sicherheitspolitik zu streichen. Wagenknecht selbst ist wegen Krankheit nicht nach Erfurt gereist.

In Wagenknechts Entwurf wurden dagegen die „völkerrechtswidrigen Kriege der USA und ihrer Verbündeten“ erwähnt. Die ehemalige SED-Funktionärin Ellen Brombacher, die für den Wagenknecht-Antrag warb, sagte, man dürfe die Vorgeschichte dieses Krieges nicht ausblenden. „Der Mainstream tut alles, damit es nur einen Schuldigen in diesem Krieg gibt.“

Doch in der Erfurter Messehalle erlebt das Wagenknecht-Lager eine Niederlage, die Delegierten folgen beim Thema Russland mit einer deutlichen Mehrheit dem Vorschlag des Parteivorstandes. Die Linke verurteilt den „verbrecherischen Angriffskrieg Russlands“ und erklärt ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, lehnt aber Waffenlieferungen ab.

„Wir brauchen eine Verurteilung des russischen Krieges gegen die Ukraine ohne Wenn und Aber“, hat Parteichefin Janine Wissler zuvor gesagt. Man müsse diesen Krieg als das benennen, was er sei. Russland gehe es um „Großmachtstreben“ und „imperialistische Politik“.

Mit dieser Klarstellung will der Parteivorstand die „Vielstimmigkeit“ in der Partei unterbinden und deutlichen Botschaften nach außen gehen. Dass sich Wagenknecht und ihre Getreuen künftig öffentlich zurückhalten, gilt an diesem Tag in Erfurt aber als wenig wahrscheinlich.

Am Abend tritt in der Erfurter Messehalle die russische Philosophin und Oppositionelle Oxana Timofejewa als Gastrednerin ans Mikrofon. „Im Westen gibt es Leute, die Putin bis heute unterstützen. Sie glauben, er kämpfe gegen US-Imperialismus“, sagt sie. Doch Putins Regime habe nur ein einziges Ziel: den Machterhalt einer kleinen Gruppe von Leuten. Die Oppositionelle sieht im Putin-Regime sogar eine Rückkehr des Faschismus.

Ein Waffenstillstand in der Ukraine „zu den Bedingungen des Aggressors“ sei unmöglich, betont Timofejewa, die ihren Beitrag mit den Worten beendet: „Frieden für die Ukraine! Freiheit für Russland!“  Die Linken, aus deren Reihen in den vergangenen Monaten immer wieder Wortmeldungen kamen, man müsse Rücksicht auf Russlands Position nehmen, reagierten mit großem Applaus.

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