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Sekt oder Selters: Gesine Lötzsch ist seit 2010 gemeinsam mit Klaus Ernst Vorsitzende der Partei "Die Linke". Seitdem musste die Partei einige Wahlniederlagen hinnehmen.

© dpa

Linken-Chefin Lötzsch im Interview: "Gysi muss seinen Spieltrieb zügeln"

Gesine Lötzsch wurde 2010 gemeinsam mit Klaus Ernst Vorsitzende der Partei "Die Linke", seitdem läuft es dort nicht so. Zuletzt brachte Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi ein Comeback Oskar Lafontaines ins Spiel. Doch geht es nach Lötzsch, sitzt sie fest im Sattel.

Frau Lötzsch, Ihr Fraktionschef Gregor Gysi hat in Ihrer Partei die Führungsdebatte angefacht. Fehlt Ihnen Oskar Lafontaine in der Bundespolitik?

Oskar Lafontaine ist überaus aktiv. Er war – ebenso wie Gregor Gysi – im Wahlkampf in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz äußerst präsent. Er ist Vorsitzender unserer Internationalen Kommission und immer als Ratgeber gefragt.

Trotzdem hat die Linke bei den Wahlen schlecht abgeschnitten. Sie haben von der „Sondersituation Fukushima“ gesprochen. Hausgemachte Fehler gab es nicht?
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind wir an der Fünf-ProzentHürde gescheitert, aber zuvor in Hamburg und Sachsen-Anhalt sind unsere früheren Ergebnisse bestätigt worden. Fukushima hat die Wahlergebnisse aller Parteien massiv beeinflusst. Klar ist: Wir sind in Teilen des Westens noch nicht so verankert, wie eine erfolgreiche Partei verankert sein muss. Die Menschen müssen die Linke im Alltag erleben und nicht nur im Wahlkampf.

Sie haben gesagt, Lafontaine habe für ihre Partei das Tor in den Westen aufgestoßen. Nun müsse es aufgehalten werden. Wieso gelingt das nicht so richtig?
Wir müssen realistisch bleiben. Ein ganzer Landesverband wie Rheinland-Pfalz hat weniger Mitglieder als ein einziger Verband in einem Bezirk in Berlin. Dafür ist aber Rheinland-Pfalz 380 mal größer als zum Beispiel Lichtenberg.

Was ist dran an der Geschichte vom möglichen Lafontaine-Comeback?
Wer die Gedanken von Lafontaine erfahren möchte, muss mit ihm selber sprechen.

Er lässt mitteilen, es gebe nichts Neues. Gysi hat von einer Notsituation gesprochen, in der Lafontaine zurückkehren könnte. Was wäre so eine Notsituation?
Es ist nicht fair gegenüber Oskar Lafontaine, ihn wie ein passives Objekt zu behandeln. Gysi muss seinen Spieltrieb ein bisschen zügeln. Politik ist kein Spiel. Wir sollten respektieren, dass Parteitage über unsere Führung entschieden haben. Ansonsten wird nicht nur die Partei, sondern auch die Öffentlichkeit verunsichert.

Sind Sie, was ihre Arbeit als Parteivorsitzende angeht, zu wenig selbstkritisch?

Selbstkritik ist notwendig. Was wenig hilft, ist pausenlos die Frage aufzuwerfen, ob die Sache mit der Doppelspitze eine gute Idee war. Das hat doch die Partei in einer Urabstimmung entschieden.

Es geht nicht nur um die Struktur, sondern auch um die personelle Besetzung der Führung. In Teilen der Basis gelten Sie und Ernst als Vorsitzende auf Abruf.
Wir sind bis Frühjahr 2012 gewählt, das sollten alle akzeptieren. Ich bin viel an der Basis unterwegs. Und überzeugt: Kritik kommt von einzelnen Funktionären, und weniger von der Basis.

Wie soll ein Neuaufbruch aussehen?
Persönliche Ambitionen und Eitelkeiten müssen zurückgestellt und die Interessen der Wähler stärker in den Blick genommen werden. Wir müssen nachweisen, dass wir Politik verändern können. Da gilt es, dicke Bretter zu bohren und bei unseren Themen zu bleiben. Ein Marathonläufer, der nur auf dem vierten Platz gelandet ist, wird versuchen, beim nächsten Lauf besser zu werden und wird doch auch nicht plötzlich Eiskunstläufer. Die Grünen haben uns gerade vorgemacht, wie mit einem Urthema zu punkten ist.

Die von Ihnen angestoßene Kommunismus-Debatte galt für viele als Anbiederung an den linken Parteiflügel. Haben Sie den Rückhalt der Reformer verloren?
Die Behauptung von manchen, dass diese Debatte der Partei geschadet hätte, ist durch nichts zu halten. Ich selbst hätte mir mehr Mut auch von Genossen gewünscht, die Diskussion um das Gemeinschaftliche – denn das steckt ja im Wort Kommunismus drin – wirklich zu führen.

Die Umfragewerte für die Linke sind seit mehr als einem Jahr rückläufig.
Es geht hoch und runter. Bei der Europawahl 2009 hatten wir 7,5 Prozent und bei der Bundestagswahl dann 11,9 Prozent. Das Thema soziale Gerechtigkeit ist aus dem öffentlichen Bewusstsein verdrängt worden, doch die Spaltung der Gesellschaft ist durch Fukushima nicht aufgehoben. Das Thema kommt wieder und damit unsere Partei.

Ist es richtig, sich nach wie vor nur in Abgrenzung zu Rot-Grün zu positionieren?
Es gibt rot-rote Landesregierungen in Berlin und Brandenburg. Und zum Beispiel in Duisburg haben SPD, Grüne und Linkspartei gerade eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen.

Duisburg soll wettmachen, dass SPD und Grüne im Bund nichts von ihnen wollen?
Die Beschlüsse der rot-grünen Bundesregierung wirken ja negativ weiter, auch wenn beide Parteien jetzt in der Opposition sind. Wir müssen als eigenständige Kraft erkennbar sein. Wir sind kein Anhängsel von SPD und Grünen.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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