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Gysi bei der Wahl in seinem Wahlkreis in Pankow.

© dpa

Linkspartei: Abschied von Oskar Lafontaine

Die Linke hat sich wieder berappelt – das ist vor allem Gregor Gysi zu verdanken. Oskar Lafontaine beschränkte sich dagegen darauf, seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht zu unterstützen.

Von Matthias Meisner

Natürlich läuft es für die Linkspartei im wirklichen Leben nicht so wie bei Stefan Raab. In dessen Sendung „TV Total“ am Vorabend der Wahl ist Gregor Gysi – laut Raab ein „Popstar“ – der Sieger. Nach der Debatte von sechs Spitzenvertretern aller Bundestagsparteien wählt das Publikum die Linke zur stärksten Partei, mehr als 30 Prozent der Zuschauer stimmen so per Telefon.

Am Sonntag war das für die Linke nicht der Maßstab. Es waren auch nicht die damals überragenden 11,9 Prozent, die sie vor vier Jahren mit Gysi und Oskar Lafontaine an der Spitze erzielte. Als Maßstab galt der Tiefpunkt zu Jahresanfang nach selbstzerstörerischen Prozessen: eine Partei am Boden, in Serie verlorene Landtagswahlen im Westen, bundesweite Angst vor dem Scheitern an der Fünfprozenthürde. Im Januar nach der Niedersachsen-Wahl traute sich die Linke nicht einmal, ihren Fraktionschef zum alleinigen Spitzenkandidaten auszurufen. Sie bestimmte stattdessen ein Achter-Team. Der inzwischen verstorbene ehemalige Linken-Chef Lothar Bisky spottete damals, man hätte wenigstens elf berufen sollen, damit alle gemeinsam Fußball spielen könnten.

Dass sich die Linke berappelt hat, ist maßgeblich das Verdienst von Gysi. In einer Analyse für die parteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt Horst Kahrs fest, der „deutliche Wiedereinzug“ der Linken in den Bundestag zeige, dass „die Strategie der Ausgrenzung der Linkspartei seitens Sozialdemokratie und Grünen gescheitert ist“. Nun würden sich die strategischen Handlungsbedingungen und -optionen für alle Parteien ändern, „besonders aber für SPD, Grüne und Linke“. Am Abend bei der Wahlparty im Kesselhaus der Berliner Kulturbrauerei geht dann Bundesgeschäftsführer und Wahlkampfleiter Matthias Höhn als Erster auf die Bühne - und bedankt sich "ganz besonders bei einem Mann, der diesen Wahlkampf gerockt hat. Und das ist Gregor Gysi".

Sahra Wagenknecht will die Fraktion gemeinsam mit Gysi führen

Es war der erste Wahlkampf, in dem Ex-Parteichef Lafontaine nur noch eine Nebenrolle spielte. Im Juni drängte er der Partei noch eine Debatte um einen Euro- Ausstieg auf. Danach unterstützte er seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht in NRW, punktuell half er auch in anderen West-Ländern, etwa bei der Schlusskundgebung in Hessen gemeinsam mit dem griechischen Linken Alexis Tsipras. In seiner Heimat, dem Saarland, hielt er sich raus. Nach den Querelen dort „muss man sich nicht unnötig über den Weg laufen“, sagte er in einem Interview kurz vor seinem 70. Geburtstag im Saarländischen Rundfunk. Im Saarland sei ohnehin jeder Besuch von ihm im Supermarkt „eine Wahlkampfveranstaltung“. Und dort gehe er fast jeden Tag hin.

Wenn die Mikrofone abgeschaltet sind, sagt mancher in der Linkspartei, dass man Lafontaine „verjagt“ habe, dessen Neigung zum Narzissmus wird als ein Grund dafür genannt. Spannend wird jetzt, wie seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht nach vorn drängt. Bereits am Dienstag treffen sich die bisherigen und die neu gewählten Abgeordneten im Reichstagsgebäude zur gemeinsamen Sitzung. Diese wird auch Gelegenheit bieten, die Kräfteverhältnisse in der neuen Bundestagsfraktion zu sondieren. In der alten galt das Verhältnis zwischen Radikalen und Pragmatikern als „Gleichgewicht des Schreckens“.

Bisherige Versuche von Wagenknecht, gleichberechtigt an die Fraktionsspitze aufzurücken, waren gescheitert. Neulich sagte sie, sie wolle Gysi die Generalisten-Rolle nicht absprechen – aber sie für sich „genauso beanspruchen“. Und, dass sie Doppelspitzen grundsätzlich gut finde. Die Chancen dafür sind am Sonntag schlechter geworden, denn Gregor Gysi will die Umsetzung seines Planes einer rot-rot-grünen Bundesregierung in Amt und Würden erleben und nicht als Hinterbänkler.

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