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Gregor Gysi

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Update

Linkspartei: Gysi wünscht sich Versöhnung zwischen Lafontaine und Bartsch

Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, will, dass Oskar Lafontaine und Dietmar Bartsch an einem Strang ziehen. Aber er ist skeptisch, ob dass das klappt. Im Ernstfall droht nach Meinung von Gysi die Spaltung der Partei.

Von Matthias Meisner

Im Führungsstreit der Linken wirbt Gregor Gysi für eine Versöhnung zwischen Ex-Parteichef Oskar Lafontaine und dem früheren Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. In der ZDF-Sendung "Pelzig hält sich" sagte Gysi am Dienstagabend: "Oskar Lafontaine als Vorsitzender wäre natürlich gut." Es gebe aber mit Bartsch einen weiteren Bewerber. "Mein Vorschlag ist, beide müssen zusammenfinden", sagte Gysi. "Dietmar soll akzeptieren, dass Oskar Vorsitzender wird, und Oskar muss dann akzeptieren und sich sogar wünschen, dass Dietmar Bundesgeschäftsführer wird", verlangte der Fraktionschef. Ob sich die Kontrahenten danach richteten, sei aber "sehr zweifelhaft". 2010 hatte Bartsch auf Druck von Lafontaine seinen Posten als Bundesgeschäftsführer abgeben müssen.

Am Mittwoch untermauerte Gysi seine Forderung mit einem in Berlin verbreiten dramatischen Appell, in dem er die Lage der Linkspartei als "sehr schwierig" bezeichnet. Es gebe nach wie vor unterschiedliche Teile in der Partei, die sich bis heute nicht vereinigt, nicht zusammengefunden hätten. "Es gibt zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Entweder mann trennt sich oder man findet zusammen. Der Sieg der einen über die anderen oder umgekehrt ist kein Weg zur Vereinigung, sondern läuft letztlich auf eine Trennung hinaus." Lafontaine sei zweifellos sein "herausragender deutscher und europäischer Politiker", Bartsch habe "nicht das gleiche Gewicht". Allerdings sei Bartsch "ein besserer Parteiorganisator". Gysi schrieb weiter: "Beide müssen verstehen, dass sie nicht die Partei als Ganzes repräsentieren. (...) Deshalb appelliere ich an beide, zu springen, aufeinander zuzugehen." Lafontaine solle Bartsch als Parteimanager, Bartsch umgekehrt Lafontaine als Vorsitzenden akzeptieren.

Lafontaine hatte zuvor deutlich gemacht, dass er bereit ist, für den Vorsitz zu kandidieren - eine Kampfkandidatur will er aber ausdrücklich nicht, weil sie "nicht unbedingt der krönende Abschluss" seiner Karriere sei. Lafontaine hatte zwar vor Monaten angeboten, Bartsch einen Platz in einer "kooperativen Führung" zuzuweisen. Nach Angaben aus dem Umfeld des saarländischen Fraktionsvorsitzenden war damit aber ausdrücklich nicht eine Berufung zum Bundesgeschäftsführer gemeint. Nichts deutet darauf hin, dass Lafontaine diese Haltung geändert hat. Bartsch könne, so hieß es, als stellvertretender Vorsitzender unter Beweis stellen, dass er zu loyaler Zusammenarbeit in der Lage sei. Eine solche Unterordnung aber lehnt der vor allem von den ostdeutschen Landesverbänden favorisierte Bartsch strikt ab. Die neue Führung soll Anfang Juni auf einem Parteitag in Göttingen gewählt werden.

Die neue Doppelspitze muss mindestens eine Frau haben. Wer das an der Seite von Lafontaine oder auch Bartsch wäre, ist weitgehend offen. Allerdings schloss Dagmar Enkelmann, Parlamentsgeschäftsführerin im Bundestag, eine Kandidatur für den Vorsitz nach einem Bericht des "Neuen Deutschlands" nicht aus. Eine Zusammenarbeit mit Lafontaine kann sie sich aber offenbar nur schwer vorstellen. Im Interview mit der "Märkischen Oderzeitung" sagte Enkelmann, Lafontaine "wäre jetzt der falsche Mann an der Spitze, wenn es gilt, den existierenden Richtungsstreit zu beenden." Enkelmann zählt Lafontaine, dessen Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht und Klaus Ernst "zu einer Strömung, die die Linke von allen anderen Parteien abgrenzen will und die keine Annäherung an die SPD zulässt".

Ernst wirbt für eine Rückkehr Lafontaines

Dietmar Bartsch
Dietmar Bartsch

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Der amtierende Parteichef Klaus Ernst warb dagegen für die Rückkehr Lafontaines an die Spitze. Er will für ihn gern auf eine neue Bewerbung verzichten und sieht in der Linken eine klare Mehrheit für Lafontaine. Eine Urabstimmung würde "so eindeutig für Oskar Lafontaine ausgehen wie fast keine andere Abstimmung außer vielleicht über unser Programm. Da hatten wir 96 Prozent Zustimmung", sagte Ernst am Mittwoch im Deutschlandfunk. Wulf Gallert, Vorsitzender der Linksfraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, äußerte sich auf Facebook empört: „Klaus Ernst schießt heute den Vogel ab. Er sagt nun , dass Lafontaine in einer Urabstimmung klar die Mehrheit bekommen würde. Er hat die beantragte Urabstimmung dazu massiv verhindert." Wenn er jetzt behaupte, dass Lafontaine bei einer Mitgliederbefragung klar eine Mehrheit bekommen würde, dann sei das "eine so bodenlose Frechheit, dass es mir die Sprache verschlägt".

Am Dienstag hatte eine Spitzenrunde mit Linke-Politikern aus Bund und Ländern in Berlin versucht, sich auf eine neue Führung zu verständigen. Das Gespräch endete jedoch ohne Ergebnis. Die meisten West-Landesvorsitzenden waren dort für Lafontaine, die Ost-Vertreter ganz überwiegend für Bartsch.

Bartsch bekräftigte am Mittwoch seinen Anspruch auf den Vorsitz. "Ich sehe keinen Grund dafür, meine Kandidatur zurückzuziehen", sagte er im TV-Sender Phoenix. Er warnte aber vor einer Reduzierung der Situation "auf Bartsch gegen Lafontaine". Die Zuspitzung sei "medial vielleicht interessant, für uns aber nicht wichtig". Er wünsche sich "eine kollektive Führung, in der alle an einem Strang ziehen". Sachsen-Anhalts Landesvorsitzender Matthias Höhn ist bereit, als Bundesgeschäftsführer anzutreten. Er hat sich klar für die Wahl von Bartsch zum neuen Vorsitzenden ausgesprochen.

Der Landeschef der Linken in Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, sagte im Radiosender NDR Info, Bartsch sei "der geeignete Mann in dieser Stunde". Zugleich erneuerte er seine Bedenken gegenüber Lafontaine. Der saarländische Fraktionschef sei jemand, der "eher daran denkt, eine Partei autoritär und von oben nach unten zu führen". Es gebe viele in der Linken, "die genau das nicht wollen". Bockhahn kritisierte zugleich, dass der Konflikt zwischen Bartsch und Lafontaine die Frauen in der Partei davon abschrecke, Führungsambitionen anzumelden. Derzeit gebe es einen "Machtkampf unter Männern", und das "lädt Frauen selten ein". Der Rechtsexperte der Linksfraktion, Wolfgang Neskovic, legte Bartsch dagegen den Rückzug nahe: „Mit Bartsch als Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten dürfte der Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag zur 'Mission Impossiblè werden", sagte er dapd. Bartsch habe in der Sitzung am Dienstag nur geringe Unterstützung gefunden und solle daraus „die richtigen Schlüsse ziehen“.

Linken-Vize Katja Kipping wirbt für einen "dritten Weg" mit jüngeren Kandidaten, womöglich auch für eine weibliche Doppelspitze. Als ein Name ist dafür nach Tagesspiegel-Informationen Katharina Schwabedissen im Gespräch, die Vorsitzende der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen. Auch der Name der bisherigen Bundesgeschäftsführerin Caren Lay wird genannt. Nach Angaben von Teilnehmern der Spitzenrunde am Dienstag fand Kippings Idee dort allerdings nur wenig Resonanz.

Der Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag, Bodo Ramelow, kritisierte den Führungsstreit. "Wir führen im Moment ein Schmierentheater auf, und das finde ich sehr bedauerlich", sagte Ramelow im Bayerischen Rundfunk. Die Art und Weise, wie nun nach einem Parteivorsitzenden gesucht werde, erinnere ihn stark an die "Basta-Politik" des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder."Was nicht geht, ist, dass man erst alles an Basisbeteiligung unterbindet, um uns dann öffentlich zu dekretieren: ihr habt nur diese Wahl und keine andere", beklagte Ramelow mit Blick auf die Entscheidung des Vorstands im Januar, wegen rechtlicher Bedenken keine Urabstimmung über Kandidaten für die Parteiführung zuzulassen. Später - als es zeitlich dafür zu spät war - hatte die Bundesschiedskommission entschieden, dass diese Mitgliederbefragung hätte stattfinden müssen. (mit dapd)

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