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Oskar Lafontaine (68) war von 2007 bis 2010 Vorsitzender der Linkspartei. Im Saarland, wo der Landtag an diesem Donnerstag den Weg für Neuwahlen frei macht, ist er Fraktionschef und Spitzenkandidat. Auch sein Comeback im Bund wird geplant.

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Linkspartei: Lafontaine: Verfassungsschutz müsste sich selbst überwachen

Der frühere Vorsitzende Lafontaine fordert im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Auflösung des Verfassungsschutzes. Er spekuliert über die Chancen für ein Linksbündnis im Saarland - und 2013 im Bund.

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Herr Lafontaine, ärgert es Sie eigentlich, dass nach den Neuwahlen im Saarland alles auf eine große Koalition hinausläuft?

Rot-Rot im Saarland ist nicht aus dem Rennen. Die SPD will den Mindestlohn, die Vermögenssteuer und ein Tariftreuegesetz. Das kann sie nur mit uns durchsetzen. Spannend wird es außerdem, wenn die SPD zweitstärkste Partei wird. Verzichtet sie dann auf den Ministerpräsidenten, um sich als Juniorpartnerin ins großkoalitionäre Bett zu legen?

SPD-Spitzenkandidat Heiko Maas lehnt Rot-Rot aber ab. Warum sollte er seine Meinung ändern?

Die SPD-Anhänger und -Mitglieder wollen doch keine drastischen Sparprogramme mit der CDU durchsetzen. Sie wollen bei Polizei und Lehrern keine Arbeitsplätze abbauen. Sie wollen auch keine Krankenhäuser schließen und soziale Leistungen kürzen.

Maas wirft Ihrer Partei vor, dass Sie bei der Schuldenbremse nicht auf einen gemeinsamen Nenner kommen können. Wo ist denn die Linke zu Einsparungen im Haushalt bereit?

Die SPD macht da Denkfehler. Man kann die Schuldenbremse nicht nur durch Einsparungen einhalten, sondern auch durch Steuermehreinnahmen. SPD und Grüne haben doch inzwischen alle unsere Vorschläge zur Reichensteuer, Vermögenssteuer, Börsenumsatzsteuer, Finanztransaktionssteuer, höherem Spitzensteuersatz sowie einer anderen Erbschaftsbesteuerung übernommen. Wer eine andere Steuerpolitik macht, muss die Bankenkrise nicht zum Anlass nehmen, um viele tausend Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst abzubauen.

Um das durchsetzen zu können, müssten Sie aber doch über entsprechende Mehrheiten im Bundesrat verfügen?

SPD und Grüne haben eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat, die kann man nutzen. Dass das geht, habe ich als saarländischer Ministerpräsident schon einmal vorgemacht.

Ist Rot-Rot an der Saar auch deshalb so kompliziert, weil SPD-Chef und Spitzenkandidat Maas Ihr politischer Ziehsohn ist?

Persönliche Befindlichkeiten müssen hinter politischen Entscheidungen zurückstehen. Das gilt übrigens auf Länder- und Bundesebene. Es geht immer um die konkreten Sachvereinbarungen. Eine sozialverträgliche Politik ist mit der CDU nicht zu machen. Das müsste doch auch die SPD nach dem Absturz auf 23 Prozent bei der letzten Bundestagswahl begriffen haben.

Stichwort Befindlichkeiten: SPD-Chef Sigmar Gabriel schließt ein Bündnis mit der Linken im Bund 2013 aus. Die SPD könne nicht mit einer unberechenbaren Partei regieren, die unsolide mit Finanzen umgehe. Sehen Sie noch eine reelle Chance für ein Linksbündnis?

Wenn eine Partei das Stigma der finanzpolitischen Unseriosität auf der Stirn hat, dann ist es die SPD mit Sigmar Gabriel. Gerhard Schröders Steuergesetzgebung hat zu über 100 Milliarden Ausfällen in den öffentlichen Kassen geführt. Und die Finanzmarktderegulierung von Hans Eichel und Peer Steinbrück hat wegen der Bankenrettung das Staatsdefizit beträchtlich erhöht. Wenn Gabriel seine Versprechen ernst nimmt, muss er einsehen: Ohne die Linke geht es nicht.

Der Verfassungsschutz überwacht gut ein Drittel aller Linken-Bundestagsabgeordneten. Sie kennen die Partei gut: Wie groß ist der Einfluss extremistischer Kräfte?

Mit dem Begriff Extremismus kann jeder hausieren gehen, und das geschieht ja seit Jahrzehnten, oft auch missbräuchlich. Der Verfassungsschutz müsste sich eigentlich selbst beobachten, denn er kennt die Verfassung nicht und geht von der irrigen Annahme aus, dass die Verfassung das jetzige Wirtschaftssystem schütze. Wer das trotz der Bankenkrise immer noch behauptet, ist schlicht dumm. Unsere Verfassung schützt keine spezielle Wirtschaftsordnung, erst recht nicht die Diktatur der Finanzmärkte.

Sollten Abgeordnete grundsätzlich nicht beobachtet werden?

Grundsätzlich sollten Abgeordnete nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Für Abgeordnete der NPD, die rassistische Vorurteile vertreten, genügen das Strafgesetzbuch und die Polizei. Eine erwiesenermaßen verfassungsfeindliche Partei ist die CSU. Obwohl die bayrische Verfassung – ich zitiere – sie verpflichtet, durch „die Erbschaftssteuer (…) die Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen einzelner zu verhindern“, macht sie das Gegenteil. Die CSU-Minister leisten, wenn sie auf die bayrische Verfassung schwören, einen Meineid. Die CSU lässt sich von Vermögenden – Stichwort Mövenpick-Spende – schmieren.

Sollte die Behörde also, wie Ihre Parteichefin Lötzsch fordert, aufgelöst werden?

Der Verfassungsschutz ist überflüssig. Er muss sich ja sogar vorwerfen lassen, dass von der mit seinen Agenten durchsetzten rechten Szene Morde begangen wurden. Dass nach diesem unglaublichen Skandal die Behörde nicht aufgelöst wird, sagt etwas über das geistige Klima der Republik. Wenn die Kripo statt der Schlapphüte den Rechtsextremismus bekämpfen würde, wären die Morde wahrscheinlich verhindert worden.

Sie haben vor einigen Tagen vor Funktionären ein kollektives Führungsversagen der Linkspartei kritisiert. Auch Gregor Gysi gibt zu, 2011 sei kein gutes Jahr für die Linke gewesen. Werden Sie den Karren noch einmal aus dem Dreck ziehen?

Ich bin jetzt mit dem Wahlkampf an der Saar beschäftigt.

In der Linken hoffen viele, dass Sie noch einmal zur Verfügung stehen – als Parteichef oder als Spitzenkandidat 2013.

Rechtzeitig vor dem Bundesparteitag der Linken im Juni wird feststehen, wer für was kandidiert.

Im Mai wird in Schleswig-Holstein gewählt. Was passiert, wenn die Linke aus dem Parlament fliegt?

Wir kämpfen darum, ins Parlament einzuziehen.

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