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Lucy Redler am Abend der Berliner Abgeordnetenhauswahl 2006

© dpa

Linkspartei: Mit links verkracht

Der radikale Flügel der Linkspartei ist zum Aktionsfeld von Sektierern geworden. Lucy Redler, früher Aktivistin der WASG in Berlin, sucht sich ein neues Podium.

Von Matthias Meisner

364 Seiten hat Sahra Wagenknechts Buch „Freiheit statt Kapitalismus“. Immerhin 36 Seiten lang ist die Replik ihrer Genossin Lucy Redler dazu – Kritik von ganz links an einer, die ziemlich weit links steht in der Linkspartei. „Sahra Wagenknecht verkleistert, statt zu klären“, schreibt Redler. Sie nennt es tragisch, dass die prominente Genossin mit einem „wilden Mix aus ordoliberalen Bezugnahmen und sozialdemokratischen Inhalten“ Verwirrung stifte.

Redler hat vor zwei Jahren ihren Eintritt in die Linkspartei erkämpft. Er war ihr lange verwehrt worden – viele ihrer neuen Parteifreunde nehmen ihr noch immer übel, dass sie 2006 bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl den konkurrierenden Antritt der damaligen WASG gegen die PDS organisiert hat. Noch im Februar kokettierte sie in einem Interview der „Taz“, sie sei nun „einfaches Mitglied im Kreisverband Neukölln“, Schwerpunkt „außerparlamentarischer Bereich“. Wieso geht die Sozialistin nun so hässlich mit ihrer Mitstreiterin Wagenknecht um, die als Vizevorsitzende von Partei und Fraktion eigentlich doch eine Ikone sein müsste?

Hintergrund ist ein seit Monaten schwelender Machtkampf im linken Flügel. Im Zentrum steht die Gruppe Antikapitalistische Linke (AKL). Wagenknecht hatte vor drei Jahren deren Gründungsaufruf maßgeblich geprägt. Sie zog sich aber bald zurück. Viele ihrer Mitstreiter sind inzwischen Mitglied bei „Freiheit durch Sozialismus“ – der Verein ist nach einem Slogan von Ex-Parteichef Oskar Lafontaine benannt. Die Begründung: Die AKL wolle offizielle Bundesarbeitsgemeinschaft in der Linkspartei werden – mit dem Anspruch auf Delegiertenmandate auf Parteitagen und Geld aus der Parteikasse. Damit, so die Wagenknecht-Vertrauten, werde eine „territoriale Parallelstruktur zur Partei aufgebaut, die (...) zu Selbstbeschäftigung führt“. Wohl zunehmen würden die Differenzen, weil die „Sozialistische Alternative“ (SAV) ihre Mitglieder aufgerufen habe, der AKL beizutreten.

Sahra Wagenknecht, im Juni 2012 auf dem Bundesparteitag der Linken in Göttingen
Sahra Wagenknecht, im Juni 2012 auf dem Bundesparteitag der Linken in Göttingen

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Die SAV ist eine trotzkistische Organisation. Laut Verfassungsschutz hat sie als deutsche Sektion eines Dachverbandes mit Sitz in London rund 400 Mitglieder, sie verfolge – wie zuvor bereits das Netzwerk Marx 21 – die gezielte Unterwanderung der Linkspartei. Redler ist SAV-Bundessprecherin und Mitglied des Berliner AKL-Koordinierungskreises. Im SAV-Aufruf zur Linkspartei heißt es, dass nicht der „auf Integration in das kapitalistische System orientierte Flügel“ die Oberhand gewinnen dürfe „und die Partei somit als Instrument für den Klassenkampf verloren ginge“. Redler nennt es „ein Gerücht“, dass die SAV versuche, die AKL zahlenmäßig zu dominieren.

In der AKL-Führung ist Redlers Trotzkisten-Zirkel trotzdem ein Thema. Die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke vom Bundessprecherrat betont: „Die AKL darf nicht als U-Boot für irgendwelche Organisationen missbraucht werden. Einige von uns haben Ängste, Aktivisten der SAV könnten unter falscher Flagge segeln und die AKL zu unterwandern versuchen. Im Moment sehe ich aber überhaupt keine Gefahr in dieser Richtung.“ Im Dezember wird der Vorstand der Linken über die Anerkennung der AKL als Bundesarbeitsgemeinschaft beraten – die Zustimmung gilt als sicher. Jelpke sieht die Organisation deshalb schon jetzt „stabilisiert“. Eine Spaltung der AKL bestreitet sie.

Redler wurde vor einem halben Jahr gefragt, ob sie sich vorstellen könne, dass Wagenknecht einmal Linken-Bundeschefin und sie die Berliner Landesvorsitzende ist. Redler sagte damals: „So weit ist es leider noch nicht.“

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