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Spitzenkandidat Manfred Sohn vor einem Wahlplakat mit Sahra Wagenknecht

© dpa

Linkspartei: Schöne Bescherung

Mehr Boulevard war nie bei den Linken: Die Wähler in Niedersachsen verpassen Sahra Wagenknecht einen Dämpfer. Ob sich das Risiko für die stellvertretende Parteivorsitzende trotzdem gelohnt hat?

Von Matthias Meisner

Eine „Schlüsselfunktion“ sollte diese Landtagswahl für die Linke haben, so hat es die Parteivorsitzende Katja Kipping angekündigt, als sie zehn Tage vor dem Urnengang vor den Abgeordneten der Bundestagsfraktion über die Ausgangslage ihrer Partei im Bundestagswahljahr referierte. Es ist die erste Landtagswahl seit der Wahl der neuen Parteiführung im Juni vergangenen Jahres in Göttingen. Und die Schlüsselrolle bei dieser Wahl hatte ausgerechnet eine geborene Thüringerin, die ihre Wohnungen hat in Berlin-Karlshorst und Düsseldorf. Und nicht zuletzt, gemeinsam mit Oskar Lafontaine, im saarländischen Merzig: Sahra Wagenknecht, eine Nicht-Niedersächsin.

„Ein Risiko“ sei es für Wagenknecht gewesen, sich für den Fall eines Wahlsiegs als Verhandlungsführerin für Koalitionsgespräche mit SPD und Grünen bereitzuhalten, hieß es vor dem Wahltag in der engeren Parteiführung. Schließlich ist die Rolle der stellvertretenden Vorsitzenden von Partei und Fraktion noch immer nicht unumstritten. Fraktionschef Gregor Gysi hat mit einem klaren „Njet“ um die Weihnachtstage herum verhindert, dass die frühere Wortführerin der Kommunistischen Plattform gleichberechtigt mit ihm in einem Duo Spitzenkandidatin wird bei der Bundestagswahl im September. Das schließt nicht aus, dass Wagenknecht irgendwann einmal Gysi nachfolgt – dann aber, so will es der amtierende Vormann, wiederum nur gemeinsam mit seinem Vertrauten Dietmar Bartsch, früherer Bundesgeschäftsführer und Lafontaine-Kontrahent.

Ob sich das Risiko für Wagenknecht gelohnt hat? In den Umfragen vor der Wahl war die Linke zuletzt fast durchgängig nur bei drei Prozent notiert worden – deutlich weniger also als die 7,1 Prozent, auf die die Linke bei der Landtagswahl 2008 gekommen war. Ein erneutes Überspringen der Fünfprozenthürde wäre vor allem Wagenknecht angerechnet worden. Es hätte, wie der Parteilinke Wolfgang Gehrcke meinte, für sie ein „Türöffner für alles Weitere“ sein können. Wäre, hätte – denn am Sonntagabend war klar: Es hat mit dem Wiedereinzug der Partei in den Landtag von Hannover am Ende nicht geklappt.

Dabei hat Wagenknecht gekämpft wie wohl noch nie vor einer Landtagswahl, abgesehen von Nordrhein-Westfalen, wo sie auch als Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl vornominiert ist. Sie ließ für diesen niedersächsischen Landtagswahlkampf eine Neuerfindung ihrer Person über sich ergehen, wurde wichtiger als der Spitzenkandidat Manfred Sohn. 140 Großflächenplakate mit ihrem Porträt wurden in den letzten Tagen vor der Wahl geklebt, im ganzen Bundesland verteilt. „Spiegel online“ feierte das „neue Postergirl der Linken“. Kreuz und quer reiste sie durchs Land, ließ für den Wahlkampf sogar den Empfang zum 65. Geburtstag von Gysi sausen. Der Linken-Bundesvorsitzende Bernd Riexinger heizte Spekulationen an über eine mögliche Berufung von Wagenknecht als Wirtschaftsministerin in einem rot-rot-grünen Landeskabinett. Sie wäre „deutlich kompetenter als so mancher Amtsinhaber“, sagte Riexinger. Vorsichtig wie sie ist, wies Wagenknecht die Spekulationen über ein Landesministeramt zurück: Ministerposten würden erst nach erfolgreichem Abschluss von Koalitionsverhandlungen verteilt, sagte sie dem „Neuen Deutschland“.

Im Bundestagswahljahr gibt es die "neue Sahra"

Dass im Bundestagswahljahr eine „neue Sahra“ präsentiert werden soll, wurde dann erst richtig deutlich, als sich Wagenknecht drei Tage vor der Wahl der „Bild“-Zeitung für ein Interview zur Verfügung stellte, nachdem sie bei einer Befragung von Männern im Auftrag des „Playboy“ zur zweitsexyesten Politikerin Deutschlands bestimmt worden war – nach Marina Weisband von den Piraten. „Wie tief darf ein Dekolleté sein?“, fragte das Boulevardblatt. Wagenknecht sprach dann zwar nicht über den Kleidausschnitt, mit dem sie etwa beim Parteitag im Oktober 2011 in Erfurt ihren Genossen Lafontaine beeindruckte, als die Beziehung der beiden noch nicht öffentlich bekannt war. „Der Bundestag ist kein Ballhaus“, riet sie nun mit Blick auf andere. „Da sollte die Bekleidung schon angemessen sein. Also nicht der Super-Mini und das ganz tiefe Dekolleté auch nicht.“ Was die eigene Partei angeht, ist sich Wagenknecht sicher: „Die Linke hat nicht nur die schöneren Gesichter, sondern auch die attraktiveren Inhalte.“

Flügelübergreifend gab es Lob für den linken Landtagswahlkampf – anders als etwa in Baden-Württemberg, wo die Linke zwischen Grün-Rot und Schwarz-Gelb zerrieben wurde, hat sich die Partei in der Schlussphase ins Gespräch gebracht. Geholfen hat auch die Sozialdemokratin Sigrid Leuschner, die im Kampf gegen Doris Schröder-Köpf um den Wahlkreis unterlegen war und kurz vor der Wahl im Frust über Peer Steinbrück und Genossen zu den Linken wechselte. „Große Schnittmengen“ hätten beide Parteien, sagte sie, aber nur mit der Linken sei ein Richtungswechsel möglich.

An diesem Montag wird die Partei ihre Spitzenmannschaft für den Bundestagswahlkampf offiziell benennen. Wagenknecht soll beim „Team um Gysi“ ebenso mitwirken wie Parteichefin Kipping. Auch der ostdeutsche Reformer Bartsch hat seinen Widerstand gegen die „innerparteiliche Befriedungsmaßnahme“ offenbar aufgegeben. Zuletzt war von acht Leuten die Rede, die dazugehören sollen, zum Beispiel auch der als Parteichef so glücklose Klaus Ernst. „Ein Konstrukt“, lästerte mancher vor der Verkündung. Wagenknecht aber wird sich in ihrem Aufstiegskampf nicht stören lassen.

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