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Live-Ticker zum Nachlesen: Opposition kritisiert Merkels Euro- und Rentenpolitik

Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Es macht den Weg zum Start des Euro-Rettungsschirms ESM frei. Das Urteil bestimmt auch die Generaldebatte - aber nicht nur.

Bundeskanzlerin Merkel (CDU) sieht sich nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Euro-Rettung in ihrem Kurs klar bestärkt. In der Generaldebatte des Bundestages zum Haushalt begrüßte sie, dass die Karlsruher Richter den Weg für den Rettungsfonds ESM und den Fiskalpakt endgültig frei machten.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel dagegen eine Täuschung der Öffentlichkeit beim Europakurs vor. Noch vor einem Jahr habe die Kanzlerin im unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB „den Verrat an deutschen Interessen“ gesehen. Jetzt begrüße sie plötzlich diesen Schritt. Ein solcher abermaliger Wechsel sei der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr zu vermitteln.

Linksfraktionschef Gregor Gysi forderte die anderen Parteien erneut zu Spitzengesprächen über die Rente auf. Dabei müsse es unter anderem darum gehen, die Renten in Ostdeutschland an West-Niveau anzugleichen, eine Mindestrente von zunächst 900 und später 1050 Euro auf den Weg zu bringen und die Rente mit 67 rückgängig zu machen. Lesen Sie in unserem Live-Blog den Verlauf der Debatte nach.

14.26: Kauders Schlusswort ist durchaus selbstbewusst. Die schwarz-gelbe Regierung werde als jene Regierungskoalition in die Geschichte eingehen, "die in schwierigster Zeit dazu beigetragen hat, Europa Stabilität zu geben und seine Zukunftsfähigkeit sicherzustellen". Nun geht es weiter mit der Haushaltsdebatte.

14.11: Und nun noch der Fraktionsvorsitzende von CDU/CSU, Volker Kauder. Der frohlockt: Die Verfassungsmäßigkeit dessen, was die Regierung bis dato zur Euro-Rettung auf den Weg gebracht habe, müsse nun von allen anerkannt werden. Kauders Thema weiterhin: die weitere Entwicklung Europas, auch als demokratisches Gemeinwesen. "Wir spüren alle, dass wir an Grenzen kommen, wenn 27 nationale Parlamente Entscheidungen für Europa zu treffen haben." Die Frage müsse nun sein, wie man für Europa demokratische Legitimation sicherstellen könne, ohne dass dessen Wettbewerbsfähigkeit leide. Konkreter wird Kauder aber nicht, genau so beim Thema Rente: Da werde man "die Antwort geben".

13.50: Jetzt hält Renate Künast für die Grünen die Gegenrede: Kein Projekt, keine Reform und keine Wegmarke sei von Schwarz-Gelb ausgegangen. Auch heute, am Tag des Karlsruher ESM-Urteils, jubele die Regierung wieder über Richtungsentscheidungen von anderer Stelle. Angela Merkel wünscht sie den europäischen Mut ihres Vorvorgängers Helmut Kohl - nicht zuletzt, um die Stimmen aus den eigenen Reihen zum Schweigen zu bringen, die Griechenlands Zukunft als Euro-Land weiter in Frage stellen. Ein Ausscheiden Griechenlands werde dazu führen, dass Europa von den Finanzmärkten "kaputt spekuliert" werde. Künast fordert außerdem die Weiterentwicklung Europas mit einem europäischen Konvent - um Europa mit einem europaweiten Referendum mehr demokratische Legitimität zu geben. Zum Thema Rente zitiert Künast einen prägnanten Satz: "Hungerlöhne führen zu Hungerrenten." Ihre letzte Forderung: einen Neustart für den Verfassungsschutz - mit neuem Personal, und ohne MAD.

13.40: Nun noch einmal Geldpolitik: Die EZB dürfe nicht "zu fett" werden, so Brüderle. Falsche Zins- und und Kreditpolitik verwirre eine Volkswirtschaft - das habe das Beispiel Amerika gezeigt. Ein (womöglich kritisches) Statement zu den Anleihenankäufen durch die EZB gibt es aber auch von Brüderle nicht.

Video: Gemischte Reaktionen auf das ESM-Urteil

13.30: Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der FDP, fährt das Rednerpult hoch und verteidigt die Regierungspolitik von CDU und FDP: Deutschland stehe besser da als die meisten Länder weltweit. Es geht weiter mit Wachstum und Rekordbeschäftigung - und mit einer Abrechnung mit der SPD: Deren Politik sei teuer und kurzfristig gewesen, Rot-Grün habe die Entwicklung Europas durch die Aufnahme von Griechenland in den Euro und die Aufweichung entscheidender Kriterien zurückgeworfen. Schwarz-Gelb bringe Europa nun zurück in die Spur. Das Krisenmanagement beim Euro sei gut.

13.20: Jetzt die Themen Rente und Altersarmut: Gysi fordert die Angleichung von Ost und West - und eine grundlegende Kurskorrektur in der Rentenpolitik. Ein flächendeckender Mindestlohn sei ein Schritt in die richtige Richtung, ebenso grundlegend Rentenerhöhungen. Die Modelle zur Zuschussrente seien "unzureichend", weil sie zu wenig Geringverdiener beträfen.

13.10: Stimmungswechsel: Jetzt spricht Gregor Gysi für die Linke - und geißelt die Bundesregierung erfahrungsgemäß hart: Deutschland lebe über seine Verhältnisse, weil es mehr produziere, als es selbst benötige. Der Status des Exporteuropameisters sei für Deutschland zu Zeiten der Eurokrise und der ESM-Kriterien ein gefährlicher: Wenn Deutschland weiter seine europäischen Nachfrager verarme, gefährde das nicht zuletzt den deutschen Sozialstaat, verursache "eine Arbeitslosigkeit mit verheerenden Folgen". Gysis Forderung: eine Stärkung der Binnenwirtschaft, eine Umverteilung von oben nach unten und ein Marschallplan für Europa. "Wenn Sie den Süden pleite machen, sorgt das am Ende dafür, dass Deutschland verarmt."

13:01: Rund 40 Minuten hat Merkel gesprochen. Am Ende lobt Merkel noch das ehrenamtliche Engagement in Deutschland. Und sie sagt. "Mir ist nicht bange um die Zukunft Deutschlands."

12:50: Angela Merkel absolviert in ihrer Rede einen kleinen Ritt durch die Themenfelder: Gesundheit, Betreuung, Bildung und die Energiewende. Das Wort Zuschussrente, wie von ihrer Arbeitsministerin Ursula von der Leyen angekündigt, nimmt sie nicht in den Mund. Stattdessen sagte sie, dass die Bundesregierung "bald Vorschläge" unterbreiten werde. Dafür hat sie nochmal klar gestellt, dass die schwarz-gelbe Koalition ein Betreuungsgeld verabschieden werde, weil für sie der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz und das Betreuungsgeld zusammengehörten.

12:31: Merkel sieht Deutschland als "Stabilitätsanker" und "Wachstumsmotor". Und das sei auch ein Erfolg der christlich-liberalen Koalition. Die Prinzipien dieser Regierung beschreibt Merkel so: "Solide Finanzen, Solidarität mit den Schwachen und die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit. Man befinde sich in Europa in einer Krise, die von Staatsschulden und unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit geprägt sei. Mit einem Paukenschlag könne man die nicht lösen, "aber wir haben erste Fortschritte gemacht". Merkel verteidigt auch ihren Kurs in Sachen EZB. Den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank unter Auflagen sieht sie im Einklang mit ihrer Euro-Politik, weil Hilfen strengen Konditionen unterlegen sein. Auch wolle sie eine Finanztransaktionssteuer und schon beim nächsten EU-Finanzministertreffen werde das wieder auf der Tagesordnung stehen. Deutschland werde das Thema voran treiben, "aber man muss auch akzeptieren, dass es Länder mit einer anderen Auffassung gibt."

12:22: Jetzt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel das Wort. Auch sie begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und sagt: "Deutschland sendet ein starkes Signal nach Europa und darüber hinaus."

12:15: Scheinheiligkeit wirft Steinmeier der Kanzlerin vor, weil sie sich erst gegen Ankäufe von Staatsanleihen klammer Euro-Staaten ausgesprochen hat und auch jetzt noch eine Abstimmung darüber im Bundestag ablehnt. Gleichzeitig befürworte sie aber den Weg der EZB. Auch Steinmeier sieht die Anleihe-Ankäufe als notwendig, "aber wir sind dafür das demokratisch kontrolliert zu tun". Außerdem fragt er, was mit der Finanzmarkttransaktionssteuer sei. Da fehle Schwarz-Gelb der Ehrgeiz. "Das ist zu wenig für Deutschland und Europa."

11:59: Frank-Walter Steinmeier greift die schwarz-gelbe Bundesregierung an. Dass Deutschland so gut dastehe, liege nicht an der Politik der Bundesregierung. "Sie ernten auf einem Feld, auf dem sie nie gesät haben." Er wirft der Regierung Handlungsunfähigkeit vor. Wenn Rot-Grün sich vor zehn Jahren so in die Furche gelegt hätte, wie es die Bundesregierung jetzt tue, wäre Deutschland der kranke Mann Europas geblieben. "Auch mit Streit in den eigenen Reihen haben wir Mut zur Verantwortung gezeigt".

Im Video: Das Urteil im Wortlaut

11:50: Der Schauplatz des heutigen Euro-Rettungs-Tages wechselt: Nachdem in Karlsruhe die Eilanträge gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm am Vormittag abgewiesen wurden und der Weg für den ESM damit - wenn auch unter Vorbehalt - frei ist, steht nun im Deutschen Bundestag die Generaldebatte an. Diese sollte sich eigentlich im Rahmen der Haushaltswoche um den sogenannten Einzelplan 04, denjenigen der Kanzlerin und des Kanzleramts, drehen. Traditionell ist die Generaldebatte aber die Stunde zum Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. Den Anfang macht SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, der das Urteil in Karlsruhe begrüßt und darin eine "gute Botschaft aus Karlsruhe" sieht. Und: "Das Informationsrecht des Bundestages hat Vorrang vor der Vertraulichkeit der ESM-Gremien." Dafür bekommt er auch Applaus von den Regierungsfraktionen. Das ändert sich, als er die Regierung wegen ihrer Haushaltspolitik angreift.

11:15 Uhr: Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) hat das Urteil des Verfassungsgerichts zum Euro-Rettungsschirm ESM und zum Fiskalpakt begrüßt. “Das ist eine kluge Entscheidung im pro-europäischen Geist unserer Verfassung“, erklärte Westerwelle am Mittwoch in Berlin. Ausdrücklich begrüßte er auch die Vorbehalte des Gerichts. “Die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Begrenzung unserer Haftungspflicht ist richtig und notwendig. Die deutsche Leistungskraft darf nicht überfordert werden.“

11:06 Uhr: Europas Börsen haben mit einem deutlichen Kursanstieg auf die Entscheidung reagiert. Der Deutsche Aktienindex (Dax) an der Börse in Frankfurt am Main legte am Morgen um 1,19 Prozent zu auf 7397 Punkte. In Paris zog die Börse um 0,72 Prozent an, in London lagen die Kurse um fast 0,5 Prozent im Plus. Auch in Euro-Krisenländern stiegen die Kurse deutlich. In Italien an der Börse in Mailand legte das Leitbarometer um 0,74 Prozent zu. In Spanien stiegen die Kurse an der Börse in Madrid sogar um 1,23 Prozent.

Langanhaltender Beifall in Straßburg

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts kann der ESM voraussichtlich an den Start gehen - wenn auch mit Auflagen.
Mit dem Urteil des Verfassungsgerichts kann der ESM voraussichtlich an den Start gehen - wenn auch mit Auflagen.

© Reuters

11:05 Uhr: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat die Verkündung des Karlsruher Urteils für Werbung in eigener Sache genutzt. Nur wenige Dutzend Abgeordnete folgten am Mittwoch im Bundestag Niebels Ausführungen zu seinem Rekordhaushalt in Höhe von 6,42 Milliarden Euro - und die waren auch noch abgelenkt. Trotz Handyverbots im Plenarsaal tippten sie auf ihren Smartphones. Niebel sagte: „Alle diejenigen, die im Moment vielleicht auch wegen Karlsruhe in diesem Hohen Haus mit ihrem Handy arbeiten, können gleich einmal eine Telefonnummer eintippen - für mehr Engagement zum Beispiel ihrer eigenen Kinder bei Weltwärts oder für eigenes Engagement in einer Städtepartnerschaft oder in einem Verein oder vielleicht für ein Engagement im Senior Experten Service. Wir haben gerade den 10.000 Senior in die Welt geschickt, und ich glaube, manch einen von Ihnen würde ich auch gerne rausschicken - und die Nummer lautet: 0228260900 - die sollten Sie sich jetzt gleich eintippen.“ Parlamentsvizepräsident Eduard Oswald (CSU) mahnte: „Aber es muss jetzt nicht gleich sein, Herr Bundesminister.“ Niebel widersprach: „Je schneller, desto besser, Herr, Präsident, das kann manchmal hilfreich sein.“

11:00 Uhr: Mit langanhaltendem Beifall haben die Abgeordneten des Europaparlaments auf die Genehmigung des Euro-Rettungsschirms durch das Bundesverfassungsgericht reagiert. Parlamentspräsident Martin Schulz unterbrach am Mittwoch die laufende Debatte in Straßburg mit den Worten: „Das Bundesverfassungsgericht hat die Klagen abgelehnt, der Europäische Stabilitätsmechanismus ist zulässig“. Daraufhin applaudierten die Parlamentarier 20 Sekunden lang. Der liberale Fraktionsvorsitzende Guy Verhofstadt rief in den Saal hinein: „Da haben wir ja schon eine erste gute Nachricht heute.“

10:55 Uhr: “Es ist ein gutes Urteil, es bestätigt unsere Auffassung. Der Fiskalvertrag ist mit dem Grundgesetz vereinbar“, sagte der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, am Mittwoch in Berlin. “Es schafft vor allem in einem Punkt Klarheit, nämlich in dem Punkt, dass auch in europäischen Angelegenheiten nichts geht ohne den deutschen Bundestag.“ Weiter hob Trittin hervor: “Es ist klargestellt, es gibt eine Deckelung für den europäischen Stabilitätsmechanismus in Höhe von 190 Milliarden Euro.“

10:50 Uhr: SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat die Entscheidung begrüßt. “Damit kann der sogenannte ESM endlich seine Arbeit aufnehmen, kann seinen Beitrag leisten für die Stabilisierung bei den Schwierigkeiten in der Euro-Zone“, sagte Steinmeier am Mittwoch in der ARD. Er sei froh, dass eine verfassungsgerichtliche Klärung erreicht sei und die parlamentarischen Entscheidungen gebilligt worden seien. Zudem habe das Gericht die Parlamentsrechte gestärkt. Die SPD hatte im Bundestag und Bundesrat die Verabschiedung des ESM-Gesetzes mitgetragen.

10:45 Uhr: Verschiedene Politiker der Grünen haben erleichtert auf die Genehmigung des Euro-Rettungsschirms durch das Bundesverfassungsgericht reagiert. Der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler bewertete das Urteil im Kurznachrichtendienst Twitter am Mittwoch mit dem Wort: „Gut!“. Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck twitterte: „Uff!“ Die Haushaltspolitikerin Priska Hinz schrieb: „Guter Tag für Europa und die Eurorettung.“

Im Video: Das Urteil im Wortlaut

10:39 Uhr: Das Gericht entscheide nicht über die Zweckmäßigkeit und Sinnhaftigkeit des Rettungspaketes, sagte Voßkuhle. „Das ist und bleibt Aufgabe der Politik.“ Niemand könne mit Sicherheit sagen, welche Maßnahmen für die Bundesrepublik Deutschland und die Zukunft Europas in der derzeitigen Krise tatsächlich am besten seien.

10:34 Uhr: Das Gericht will sicherstellen, dass es bei einer Haftungsgrenze von 190 Milliarden Euro bleibt. Diese dürfe ohne Zustimmung der deutschen Seite - und damit des Bundestages - nicht erhöht werden, heißt es im Urteil. Zudem müsse Deutschland eine Vertragsauslegung sicherstellen, die gewährleistet, dass trotz der beruflichen Schweigepflicht aller für den ESM tätigen Personen Bundestag und Bundesrat umfassend informiert würden. Dies sind die zwei wesentlichen Vorbehalte, die das Gericht formuliert hat.

10:33 Uhr: An den europäischen Aktienmärkten schnellen die Kurse in die Höhe, auch der Euro legt zu.

10:31 Uhr: Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sagte in einer ersten Reaktion auf das Urteil: “Der ESM kann an den Start gehen. Die EZB wird im großem Stil Staatsanleihen kaufen. Wir bekommen eine Haftungsunion, die den Charakter der Währungsunion ändern wird - hin zu einer italienisch geprägten Währungsunion. Sie wird Parallelen aufweisen zum Italien der siebziger und achtziger Jahre.“

"Da haben wir doch etwas geleistet für die Demokratie, oder?"

Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg zum Start des Euro-Rettungsschirms ESM freigemacht - allerdings nur unter Vorbehalt. Die Richter wiesen am Mittwoch in Karlsruhe Anträge der Kläger überwiegend zurück, dem Bundespräsidenten die Unterzeichnung des Gesetzes zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bis zum endgültigen Urteil des Gerichts über die Verfassungsbeschwerden zu untersagen. Die Ratifizierung könne aber erst abgeschlossen werden, wenn völkerrechtlich sichergestellt sei, dass die Haftungsgrenze Deutschlands von 190 Milliarden Euro nur mit Zustimmung des Bundestages geändert werden könne, erklärte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Das Gericht wies zudem den Antrag des CSU-Politikers Peter Gauweiler zurück, die Ratifizierung des ESM so lange aufzuhalten, bis die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Anleihekaufprogramm eingestellt habe. Auch die Eilanträge gegen die Ratifikation des Fiskalpakts, der den Euro-Staaten eine strengere Haushaltsdisziplin auferlegt, scheiterten.

Die Entscheidung ist ein fast schon überraschend deutliches Votum für die Euro-Rettungspolitik. Die Bundesrepublik hat nur klarzustellen, dass ihr Haftungsrahmen beim ESM auf die 190-Milliarden-Grenze begrenzt bleibt. Und es muss sichergestellt sein, dass der Informationsfluss zum Bundestag erhalten bleibt. Ansonsten lässt das Gericht die umstrittenen Akte passieren. Mit europakritischer Rhetorik hielt es sich zurück. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bekannte sich ungewöhnlich deutlich zum Primat der Politik: "Niemand kann mit Sicherheit sagen, welche Maßnahmen für die Bundesrepublik Deutschland und die Zukunft unseres Vereinten Europas in der derzeitigen Krise wirklich am besten sind. In einer solchen Situation der Unsicherheit sind nach dem Gewaltenteilungsgefüge des Grundgesetzes in erster Linie diejenigen berufen zu handeln, die direkt vom Volk gewählt sind und ihre Entscheidungen im politischen Prozess verantworten und durchsetzen müssen." Auch die Bundesregierung bekommt ein Lob: "Jenseits der finanzpolitischen Bewertung des ESM und des Fiskalpakts sieht der Senat vor diesem Hintergrund durchaus das Bestreben der Bundesregierung und des Gesetzgebers, Maßnahmen zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise auf europäischer Ebene zu verrechtlichen und demokratisch rückanzubinden."

Offen bleibt allerdings, wie das Gericht den jüngst angekündigten unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen aus Krisenländern durch die Europäische Zentralbank sieht. Ob hier der Ermächtigungsrahmen der deutschen Zustimmungsgesetze zu den Unionsverträgen überschritten werde, sei im späteren Hauptsacheverfahren zu prüfen, hieß es.

10:29 Uhr: Im ARD-Interview sagte Gregor Gysi (Linkspartei), in Zukunft müsse der Bundestag viel stärker einbezogen werden. "Da haben wir doch etwas geleistet für die Demokratie, oder?", sagte Gysi.

10:25 Uhr: Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Andreas Voßkuhle hat darauf hingewiesen, dass die heutige Entscheidung nur vorläufig sei. Eine Hauptverhandlung werde folgen. Allgemein aber wird der heutige Spruch als richtungsweisend gewertet: Die Eilanträge gegen die deutschen Gesetze zum ESM-Vertrag und zum Fiskalpakt blieben überwiegend erfolglos.

Der Euro-Tag in Bildern:

10:23 Uhr: Nach dem Urteil kann Deutschland nun dem ESM unter Erklärung entsprechender völkerrechtlicher Vorbehalte beitreten. Deutschland hat bislang als einziges Euro-Land den Vertrag über den „Europäischen Stabilitätsmechanismus“ ESM noch nicht ratifiziert. Erst mit der Beteiligung des größten Mitgliedsstaats kann der Rettungsschirm in Kraft treten. Mehrere Gruppen von Klägern hatten in Karlsruhe Eilanträge gegen den ESM und den europäischen Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin eingelegt. Unter den Beschwerdeführern sind der CSU-Politiker Peter Gauweiler, die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) und die Fraktion der Linken im Bundestag. Außerdem haben sich rund 37 000 Bürger einer Beschwerde des Vereins „Mehr Demokratie“ angeschlossen.

Die politischen Beobachter scheuten im Vorfeld keinen Superlativ, wenn es um die Bedeutung des Spruchs des Bundesverfassungsgerichts ging. Vom „Jahrhunderturteil“ war die Rede, das über die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung entscheidet. Die acht Richter des Zweiten Senats hatten darüber zu entscheiden, ob Deutschland sich am Euro-Stabilitätsmechanismus ESM (European Stability Mechanism) beteiligen darf. Dieser ständige Rettungsschirm für krisengeschüttelte Euro-Staaten soll den bisherigen EFSF ablösen. Auf Deutschland entfallen 190 Milliarden der insgesamt 700 Milliarden Euro, also rund 27 Prozent der Gesamtsumme des ESM. Darunter sind 22 Milliarden Euro Barkapital, das in fünf Raten überwiesen werden muss, und 168 Milliarden abrufbares Kapital. Für die Kläger in Karlsruhe verbirgt sich hinter all dem ein unkalkulierbares Risiko für den Bundeshaushalt.

Am vergangenen Donnerstag löste der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, eine heftige Debatte aus, als er unbegrenzte Ankäufe von Anleihen schuldengeplagter Euro-Staaten ankündigte. Was die einen als zusätzliche heilsame Therapie in der Euro-Schuldenkrise ansehen, ist für die anderen ein fahrlässiges Hantieren mit der Geldpresse, das die Risiken für die Steuerzahler unüberschaubar mache. Am Dienstag stellte sich zudem heraus, dass Krisenländer bei der EZB einfach an Geld kommen als gedacht - denn die EZB will Anleihen überschuldeter Euro-Staaten aufkaufen, auch ohne dass sich die Schuldner auf einen harten Sparkurs verpflichten müssen. (mit Reuters)

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