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Ging in die Falle. Jack Straw, ehemaliger Außenminister von Großbritannien und Labour-Abgeordneter.

© AFP

Lobbying-Skandal erschüttert England: Wie kaufe ich mir einen Politiker?

Zwei prominente Politiker von Labour und den Tories sind von Journalisten aufs Glatteis geführt worden. Sie haben sich vor versteckter Kamera bereiterklärt, gegen Geld die Interessen einer chinesischen Investmentfirma zu vertreten.

Bevor der britische Sender Channel 4 am Montagabend seine Recherchen zum Thema „Wie kaufe ich mir einen Politiker?“ ausstrahlte, konnte man im Internet schon die interessantesten Stellen anklicken. „Sie wären überrascht, wie viel freie Zeit ich habe“, sagt Sir Malcolm Rifkind, bis 1997 Tory-Außenminister, einer Journalistin, die sich als Vertreterin einer chinesischen Investmentfirma ausgibt. Die versteckte Kamera läuft. Rifkind, in Hemdsärmeln lässig zurückgelehnt, stellt „nützliche Kontakte“ in Aussicht. „Ich kann jeden Botschafter in London sehen, den ich sehen will.“

Jack Straw, bis 2006 Tony Blairs Außenminister, prahlt, wie er für den von ihm beratenen Rohstoffhändler „ED&F Man“ bereits „Änderungen von EU-Regeln“ durchgesetzt und dabei wirkungsvoll „unterm Radar“ operiert habe. Auch er nennt in dem heimlich gefilmten Gespräch seinen Tagessatz: „Normalerweise 5000 Pfund.“

In die Falle gelockt wurden die Politiker von dem TV-Sender und der Zeitung „Daily Telegraph“, die vor sechs Jahren aufdeckte, wie britische Abgeordnete ihr Salär durch falsche Spesenabrechnungen aufstocken. Nun geht es um Nebenjobs und die noch heiklere Frage hoch bezahlter, aber undurchsichtiger Arbeit als Lobbyist gegen Geld.

Der „Telegraph“ nahm sich das „Register der auswärtigen Interessen“ vor, in dem Parlamentarier Nebenjobs verzeichnen müssen. Bilanz: Im vergangenen Jahr erwirtschafteten mehr als 200 Abgeordnete Nebenverdienste in Höhe von 7,4 Millionen Pfund. Spitzenverdiener war der frühere Premier Gordon Brown mit fast einer Million Pfund. Am fleißigsten war der Tory-Abgeordnete Geoffrey Cox, ein Rechtsanwalt, der 820 867 Pfund verdiente und dafür 244 volle Arbeitstage brauchte.

Für die großen Parteien kommt der Skandal ungünstig. Im Mai wird gewählt.

„Lobbying wird der nächste Skandal“, hatte Premier David Cameron gewarnt, als er vor fünf Jahren sein Amt antrat. Cameron hatte deshalb auch schärfere Regeln versprochen. Geschehen ist wenig. Die Politik steht vor einem Dilemma. Höhere Politikergehälter wären höchst unpopulär, aber man will auch keine parlamentarischen „Anoraks“, Fachidioten, die weltfremd im Elfenbeinturm der Politik leben. Rifkind verteidigte sich deshalb. Wenn man Abgeordnete von professionellem Kaliber wie ihn wolle, sei es „unrealistisch“ zu erwarten, dass diese von 60 000 Pfund im Jahr lebten.

Sowohl Rifkind als auch Straw verloren vorerst ihre Fraktionsposten, auch wenn sie die Vorwürfe am Montag zurückwiesen. Straw wehrte sich am Montag in der BBC gegen die Anschuldigungen: „Ich habe mich nicht nur vollständig an die Buchstaben, sondern auch an den Geist der Regeln gehalten.“ Nach seiner Darstellung zeigte er sich gegenüber den Undercover-Journalisten lediglich bereit, für deren vermeintliche Firma zu arbeiten, nachdem er wie geplant nach der anstehenden Parlamentswahl im Mai zurückgetreten sei.

Die schnelle Verbannung der beiden Politiker dürfte auch mit dem brisanten Zeitpunkt der Affäre zusammenhängen. Es ist Wahlkampf, die Parteichefs gingen schnell auf Distanz. „Für Lobbying bezahlt zu werden, ist nicht erlaubt“, sagte Cameron. Labourchef Ed Miliband will Abgeordneten in Zukunft Direktorenposten verbieten. Beide wissen gut, dass Großbritanniens Wähler keine hohe Meinung von ihren Volksvertretern haben und sich auch deshalb von etablierten Parteien abwenden. Kopfschüttelnd kommentierte ein ehemaliger Vorsitzender der parlamentarischen Ethikkommission den Skandal. „Schockierend, dass zwei so erfahrene Politiker sich so benehmen.“

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