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Wie scharf der Zugang von Lobbyisten zu Brüsseler Institutionen geregelt werden soll, ist umstritten.

© picture alliance / photononstop

Lobbyismus in Brüssel: EU-Parlament erwägt strengere Regeln

Im Sonderausschuss des EU-Parlaments zur Steuerehrlichkeit von Unternehmen zeigte sich die Machtlosigkeit der Abgeordneten. Jetzt erwägt das Parlament im Umgang mit Lobbyisten neue Regeln.

In Brüssel ist in den letzten Monaten eines deutlich geworden: Sanktionen gegen die schwarzen Schafe unter den Lobbyisten führen offenbar nicht zum Ziel. Denn Lobbyisten, die das Europaparlament auf seine schwarze Liste setzt, können bei der EU-Kommission weiterhin ein- und ausgehen.

Dieser Widerspruch hat mit der mangelnden Motivation der Kommission zu tun, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Dass Lobbyisten im Zweifel eher bei der EU-Kommission offene Türen vorfinden als im Europaparlament, geht auf die unterschiedliche Praxis der Akkreditierung in den europäischen Institutionen zurück.

Das Transparenzregister für Lobbyisten werde vom Parlament und der Kommission gemeinsam benutzt, erklärte die französische Europaabgeordnete Elisabeth Morin-Chartier. „Das heißt, das Parlament kann die Liste oder jegliche zugehörige Daten nicht modifizieren.“

Die Machtlosigkeit der EU-Parlamentarier gegenüber geballten Firmeninteressen zeigte sich, als das Europaparlament im Februar einen Sonderausschuss zu Steuervorbescheiden der Mitgliedsstaaten (TAXE-Sonderausschuss) einrichtete. Doch der Ausschuss musste seine Untersuchungen durchführen, ohne dass die eigentlich Betroffenen - die multinationalen Konzerne – anwesend waren: Weil der TAXE-Ausschuss des EU-Parlaments seine Zeugen nicht rechtsverbindlich vorladen kann, kamen die meisten von den Parlamentariern geladenen großen Unternehmen auch nicht, um ihre Steuerpraktiken in Europa zu erläutern.

Der Ausschuss kontaktierte im Zuge seiner Untersuchungen 18 Unternehmen. Nur Airbus, Total, BNP ParisBas und der schottische Energiekonzern SSE gingen auf die Anfrage ein. Amazon, Anheuser-Busch InBev, Barclays, Coca-Cola, Facebook, Fiat Chrysler, Google, HSBC, Ikea, McDonalds, Philip Morris, Walmart und Walt Disney lehnten die Vorladung ab.

Der TAXE-Sonderausschuss verlangte daraufhin Sanktionen für die Kooperationsverweigerer - darunter die Aussetzung ihrer Akkreditierung für das Europaparlament. Dort kommen die Lobbyisten regelmäßig zusammen, um die Gesetzgebung zu beeinflussen.

EU-Parlamentspräsident Schulz bittet um Vorschläge zur Änderung der internen Regeln

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz habe „die Quästoren ersucht, sich Vorschläge für Änderungen der internen Regeln für Lobbygruppen einfallen zu lassen“, wie informierte Kreise aus dem Schulz-Kabinett gegenüber EurActiv erklären. Das Kollegium der Quästoren ist jenes Organ des Europaparlaments, das mit den Verwaltungs- und Finanzaufgaben betraut ist, die die Abgeordneten und ihre Arbeitsbedingungen direkt betreffen.

Im EU-Parlament hieß es zwar, dass eine Entscheidung zum künftigen Umgang mit Lobbyisten schnell getroffen werde. und im Anschluss durch das Parlament bestätigt werden. Eine solche Entscheidung wird das EU-Parlament aber wohl im Alleingang treffen, weil das Vorgehen nicht von der Kommission unterstützt wird.

„Wir haben noch keinen 'disziplinarischeren' Ansatz zur Akkreditierung diskutiert“, wie ein Kommissionssprecher gegenüber EurActiv erklärte. Zudem unterscheide sich die „Art der Akkreditierung“ in der der Kommission und im Parlament.

Obwohl die Kommission die Sanktionsfrage wahrscheinlich alleine angehen wird, steht das Thema Lobbytransparenz in den letzten Monaten in Brüssel weit oben auf der Agenda. Seit November 2014 müssen Lobbyisten, die sich mit Kommissaren oder deren Kabinettsmitgliedern treffen wollen, im EU-Transparenzregister auftauchen. Aufgrund dieser Anforderung stehen 1.000 neue Namen auf dieser ansonsten freiwilligen Liste. Sie enthält die Angaben von 8.396 Lobbyisten, die in den EU-Institutionen in Brüssel arbeiten.

Vier Jahre nach seinem Start könnte ein Ersuchen des Europaparlaments das Transparenzregister endlich zu einer Vorschrift werden lassen. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude-Juncker will eine interinstitutionelle Vereinbarung zu einer verpflichtenden Registrierung der Lobbyisten in allen drei EU-Institutionen erreichen. Übersetzt von Alexander Bölle. Erschienen bei EurActiv.

Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Cécile Barbière

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