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Günther Oettinger spricht bei einer Pressekonferenz.

© Wiktor Dabkowski/ZUMA Wire/dpa

Lobbyismus in der EU: Die EU braucht eine Ethikbehörde!

Wenn sich ehemalige Staatsdiener mit den Geldmächtigen verbrüdern, schadet das der Demokratie. Da helfen auch kosmetische Regeln nicht weiter. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Harald Schumann

Wenn es um den Einfluss von Lobbyisten geht, dann preisen EU-Politiker gerne, dass sie deren Wirken auf die Gesetzgebung öffentlich kenntlich und damit halbwegs kontrollierbar machen. „In Sachen Lobbytransparenz geht die EU entschlossen voran“, dies könne „zur Blaupause nationalstaatlichen Handelns werden,“ schrieb kürzlich Katharina Barley, Vizepräsidentin des EU-Parlaments, im Tagesspiegel.

Und tatsächlich folgen Kommissare und führende Parlamentarier da einem gutem Prinzip. Wer mit ihnen über ein Vorhaben sprechen will, muss mit Namen und Budget im offiziellen Lobbyregister eingetragen sein.

Ohne Registrierung gibt es keinen Termin, zumindest nicht offiziell. Zudem müssen die Treffen in zugängliche Datenbanken eingetragen werden. Wer sich da zu einseitig beraten lässt, kann schnell unter Druck geraten.

Der Umgang mit den Lobbyisten ist nur vermeintlich sauber

Doch dieser vermeintlich saubere Umgang mit dem Heer der etwa 35.000 Lobbyisten hat eine schmutzige Kehrseite: Bei hunderten EU-Beamten, Kommissaren und Parlamentariern ist die angebliche Distanz zu den Einflüsterern nur Show. In Wahrheit stehen sie ihnen so nahe, dass sie nach dem Ausscheiden aus Amt und Mandat nur zu gern in ihre Dienste wechseln, um sich Kenntnisse oder frühere Gefälligkeiten vergolden zu lassen.

185 Abgeordnete wechselten 2014 vom Parlament auf einen Lobbyposten

Da wechselten nach 2014 gleich 185 Abgeordnete vom Parlament auf einen Lobbyposten. Auch von den 27 im Jahr 2014 ausgeschiedenen Kommissaren heuerten 13 bei Lobbyagenturen und Unternehmen an.

Spektakulär war der neue Posten des früheren Kommissionspräsidenten Joao Baroso als Frühstücksdirektor beim Finanzkonzern Goldman Sachs. Zuvor hatte er – noch im Amt – „extrem fruchtbare Treffen“ mit Goldmans Top-Manager Blankfein, ohne darüber Rechenschaft abzulegen.

Neue Regeln? Für Oettinger gab's kurzerhand Sondergenehmigungen

In der Folge verordnete sich die Kommission eine Karenzzeit von zwei Jahren, um ihre Spitzenbeamten „abzukühlen“ und Interessenkonflikte zu vermeiden. Doch auch das ist nicht ernst gemeint. Dafür steht Ex-Kommissar Günther Oettinger. Dieser ließ sich bei gleich 13 Firmen und Verbänden unter Vertrag nehmen und bekam dafür von der amtierenden Kommission unter Führung von Parteifreundin Ursula von der Leyen Sondergenehmigungen.

Wenn auch mit der Auflage, keine Lobbyarbeit zu machen. Aber das ist unglaubwürdig. „Allein sieben der neuen Arbeitgeber von Oettinger stehen im Lobbyregister“, konstatiert der grüne EU-Parlamentarier Daniel Freund. Da liege es nahe, dass diese „sich exklusiven Zugang sichern wollen.“

Das Schlimme an dieser Verbrüderung von höchsten Staatsdienern mit den Geldmächtigen ist nicht nur die mögliche Manipulation der Gesetzgebung. Das eigentlich Verwerfliche ist der Schaden für die Demokratie. Denn die anrüchigen Seitenwechsel nähren den falschen Eindruck, die Politik sei generell käuflich und treiben so den Anti-Demokraten von rechts die Wähler zu.

Zum Glück gibt es inzwischen viele EU-Politiker, die diese Gefahr erkannt haben. Parteiübergreifend haben sich darum Daniel Freund und Parlamentskollegen der Gründung einer „Ethikbehörde“ verschrieben, die unabhängig in allen EU-Institutionen jene ethischen Standards durchsetzt, die bisher nur auf dem Papier stehen. Mit dabei ist auch Vera Jourova, die als Vizepräsidentin der EU-Kommission das Projekt als Teil ihres Auftrags versteht. Wenn das gelingt, wird die EU tatsächlich zum Vorbild.

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