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Nach einer Initiative von EU-Kommissionschef Juncker sollen am Sitz der Brüssel Behörde nur noch registrierte Lobbyisten Termine mit den Kommissaren bekommen.

© dpa

Lobbyisten in Brüssel: Mekka der Einflüsterer

Viele Lobbyisten lassen sich bis heute nicht in der EU-Hauptstadt registrieren – trotz einer Initiative von EU-Kommissionschef Juncker.

Der Schritt, zu dem sich Jean- Claude Juncker Ende 2014 entschloss, war für Brüsseler Verhältnisse ungewöhnlich. Der EU-Kommissionspräsident kündigte seinerzeit an, dass er künftig sämtliche Treffen mit Interessenvertretern öffentlich machen wolle. Auch die übrigen 27 Kommissare und hochrangige Mitarbeiter der Brüsseler Behörde wurden verpflichtet, ihre Terminkalender offenzulegen. So soll die europäische Öffentlichkeit erfahren, wer im „Lobbyisten-Mekka“ Brüssel so alles aktiv ist. Umgekehrt wurden auch die Interessenvertreter durch Junckers Initiative stärker an die Leine genommen: Nur wer im EU-Transparenzregister als Lobbyist offiziell vermerkt ist, bekommt noch einen Termin bei der Kommission.

Das EU-Transparenzregister verzeichnet seit 2011 Organisationen und Einzelpersonen, die Einfluss auf die EU-Gesetzgebung nehmen wollen, auf einer öffentlich zugänglichen Website. Dort müssen die Lobbyisten unter anderem ihre Budgets und Klienten offenlegen. Allerdings hat die Eintragung ins Register einen Haken: Sie ist freiwillig. Auch Juncker setzte 2014 bei seiner Transparenz-Initiative darauf, die Lobbyisten mit Anreizen zu ködern, statt sie zur Veröffentlichung im Register zu zwingen – schließlich winken nur den registrierten Einflüsterern Termine mit Kommissaren und hochrangigen Mitarbeitern.

Viele Interessenvertreter arbeiten lieber im Hintergrund

Auf den ersten Blick war Junckers Transparenz-Initiative zwar durchaus erfolgreich. Innerhalb eines Jahres wuchs die Zahl der Eintragungen ins Register bis zum vergangenen Monat um knapp 20 Prozent auf 9263. Eine Studie der Nichtregierungsorganisation Lobbycontrol belegt aber, dass den eingetragenen Interessenvertretern auch weiterhin ein Heer an Berufskollegen gegenübersteht, die lieber im Hintergrund arbeiten.

Studie untersuchte nicht registrierte Kanzleien aus den USA

Für die Studie analysierte Lobbycontrol neun große Anwaltskanzleien, die zwar als Lobbyisten in Brüssel tätig sind, aber nicht im Register stehen. Sechs der neun Firmen haben ihren Sitz in den USA und sind im dortigen – verpflichtenden – Lobbyregister eingetragen. Unter den untersuchten Fällen befinden sich auch namhafte Kanzleien wie K&L Gates und Hogan Lovells, die in den USA zu den Top-Lobbyfirmen gehören. Die Firma Hogan Lovells erarbeitete sich in Brüssel vor allem durch erfolgreiches Strippenziehen im Zuge einer europäischen Umweltrichtlinie von 2012 einen Ruf, als deren Anwälte eine Ausnahme für ihren Mandanten erwirkten. In der Folge durfte die Firma, eine nicht genannte US-Halbleiterfirma, eine „potenziell riskante“ chemische Substanz weiterhin verwenden.

Nina Katzemich, Ko-Autorin der Studie, sieht skeptisch, dass Juncker eine verpflichtende Eintragung ins Register nach US-Vorbild auch in Brüssel einführt. Aber solange Kanzleien und Interessenvertreter sich frei entscheiden könnten, ob sie in einem Lobbyregister auftauchen wollten oder nicht, werde das Transparenzregister „kein genaues Bild darüber geben, wer die europäischen Entscheidungsprozesse beeinflusst“. Sie hoffe jedoch, dass zumindest die Sanktionen für unregistrierte Lobbyisten weiter verschärft würden, sagt Katzemich. So könnte den im Verborgenen arbeitenden Lobbyisten der Zugang zu EU-Expertengruppen verwehrt werden. Nicht auszuschließen sei aber, dass auch dies kaum Auswirkungen auf die Kanzleien hätte. Denn diese könnten ihre Anwälte „einfach auf die untere Ebene der EU-Beamten“ ansetzen, glaubt Katzemich.

Erschienen bei EurActiv.
Das europapolitische Onlinemagazin EurActiv und der Tagesspiegel kooperieren miteinander.

Daniel Mützel

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