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Politik: Lose Sprüche, lose Sitten - Staatspräsident Eser Weizman steht vor dem Rücktritt

In dieser Geschichte geht es ums Geld und ums Gewissen, genauer gesagt um das reine Gewissen. Und um einen Politiker von Rang, der nicht zurücktreten will, obwohl sein Ende schon begonnen hat.

In dieser Geschichte geht es ums Geld und ums Gewissen, genauer gesagt um das reine Gewissen. Und um einen Politiker von Rang, der nicht zurücktreten will, obwohl sein Ende schon begonnen hat. Es ist eine Geschichte über Sitten in der Politik, wie man sie in diesen Zeiten öfter liest. Nicht nur in Deutschland, auch in Israel.

Eser Weizman, der israelische Staatspräsident, ist der Mann mit dem reinen Gewissen. Er wird zurücktreten, in den nächsten Tagen oder in den bevorstehenden Wochen. Vor Jahren schon hatte man erwartet und befürchtet, dass das eines Tages passieren würde. Sein loses Mundwerk, dachte man, würde ihm zum Verhängnis werden. Nun aber ist es anders gekommen, es ist die offen hingehaltene Hand, die Weizman ins Verderben stürzt. Er hat wohl keine strafbare Handlung begangen, und doch ist er im höchsten Staatsamt untragbar geworden.

Weizman, so wird ihm vorgeworfen, soll riesige Geldgeschenke von einem persönlichen Freund erhalten haben. Das ist nicht strafbar. Er hat die sechsstellige Dollarsumme - 453 000 Dollar nach der Version eines Enthüllungsjournalisten, 284 000 gemäß der Version seiner Anwälte - nicht versteuert. Das ist sehr wahrscheinlich rechtens. Er hat das Geld aber nicht in seiner Steuererklärung erwähnt. Das dürfte ihm nun das Genick brechen.

Eser Weizman ist Israels siebter Staatspräsident, der aristokratischste, populärste und politisch umstrittenste. Er stammt aus sehr vornehmer Familie - sein Onkel Chaim Weizmann war das erste Staatsoberhaupt des Landes, Mosche Dayan war sein Schwager. Er ist vermögend und mutig: ein Kriegsheld, der für Frieden zu jedem persönlichen Opfer bereit ist. Allerdings spricht er meist, bevor er nachgedacht hat. Jüngere Frauen zum Beispiel bezeichnet der 75-Jährige, der im Zweiten Weltkrieg Pilot der Royal Air Force war und sich als Offizier und Gentleman versteht, am liebsten auf Jiddisch als "Majdele". Das veranlasste die oppositionelle Likud-Abgeordnete Zippi Livni jetzt, in der Knesset zu fordern: "Vom Majdele zum wahren Mann: Bitte treten Sie zurück."

"Ejser" will zwar zurücktreten, sogar bald, aber nicht wegen eines Geldgeschenks, sondern wegen seines Alters, aus gesundheitlichen oder ideologischen Gründen. Jetzt also, da die Vorwürfe in der Welt sind, muss er sagen: "Ich habe keine Rücktrittsabsichten. Warum soll ich zurücktreten? Ich durchlaufe keine einfache Periode, aber ich warte ab, was die Generalstaatsanwältin entscheidet."

Doch letztlich ist es irrelevant, welchen Beschluss Edna Arbel fasst: In der von Korruptionsskandalen erschütterten jungen Demokratie Israel ist ein Staatspräsident, der Geld geschenkt bekommen und dies verschwiegen hat, untragbar, unabhängig von der strafrechtlichen Relevanz seiner Tat. Das Misstrauen gegenüber Amtsträgern ist gewaltig, weil Korruption und Prominente auf der Anklagebank alltägliche Erscheinungen geworden sind. Weizman ist ein Opfer seiner, dieser Zeit.

Am Tag, an dem seine Verteidiger Yaakov Weinroth und Jehuda Weinstein der Staatsanwaltschaft die Dokumente übergaben, die Weizmans strafrechtliche Unschuld beweisen sollen, beriet die gleiche Anklagebehörde darüber, ob der frühere Likud-Justizminister Zachi Hanegbi wegen Korruption oder wegen Betrugs im Amt angeklagt werden soll. Am selben Tag wurde beschlossen, dass zwei Strafvollzugs-Generäle wegen Begünstigung des Zeitungsverlegers Ofer Nimrodi angeklagt werden, der wegen illegaler Lauschangriffe in Haft war und dem nun noch einmal der Prozess gemacht wird, weil er einen Mordauftrag erteilt und Polizeioffiziere bestochen haben soll. Am selben Tag wurde bekannt gegeben, dass die Untersuchungen gegen den früheren Ministerpräsidenten Netanjahu und dessen Frau wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs, des Staatsbetrugs und des Diebstahls von Staatsgeschenken abgeschlossen sind.

Noch glaubt die Mehrheit der Bevölkerung und der Politiker, dass Weizman die 453 000 oder 284 000 Dollar tatsächlich in den Jahren 1988-1993 als Geschenk von seinem Freund Edouard Seroussi aus Frankreich erhalten hat, dass er gemäß den Ratschlägen seines Anwalts gehandelt hat, als er diese Summen nicht versteuerte, und dass er keinerlei Gesetze übertreten hat. Doch anderseits steigen aus dem moralischen Sumpf immer neue stinkende Blasen auf: Zweifel, Fragen und Gerüchte, die auf Antworten und Erklärungen warten. Warum tischten Weizman und seine Leute verschiedene Versionen über den Gebrauch des Geldes auf? Weshalb war der wohlhabende Politiker und Geschäftsmann Weizman, der unter anderem die "Cyclon"-Raketenfabrik besaß und Geschäftspartner eines der größten Autoimporteure war, auf finanzielle Hilfe angewiesen? Stammt das Geld aus sauberen Quellen? Hat es nicht vorher, nachdem Weizman vom Amt des Verteidigungsministers zurückgetreten und vorübergehend ins Geschäftsleben eingetreten war, eine wirtschaftliche Partnerschaft - angeblich im Waffenhandel - zwischen Seroussi und Weizman gegeben? Könnte daher das Geld nicht ein Geschenk, sondern schlicht Weizmans Anteil oder Provision an einem Geschäft sein?

Angesichts dieser vielen Fragen wäre es vielleicht für Staat und Staatspräsident besser, man würde nicht allzu tief bohren und offiziell untersuchen. Schon gibt es das Gerücht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung seien dabei auszuhandeln, dass man auf eine polizeiliche Untersuchung der Affäre und somit auf ein einzigartiges und peinliches Verhör des Staatsoberhaupts verzichtet, wenn Weizman zurücktritt.

Doch dieser scheinbare Ausweg aus der Affäre könnte sich als Sackgasse erweisen. Schon haben nämlich Shas-Abgeordnete für den Fall der De-facto-Begnadigung Weizmans lauthals die De-jure-Begnadigung ihres ehemaligen Parteichefs und Innenministers Arie Deri verlangt, der wegen Korruption und Amtsmissbrauchs zu vier Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, gegen den ein zweites Verfahren wegen ähnlicher Delikte angelaufen ist und der zudem vor der Berufungsverhandlung vor dem Obersten Gericht steht. Dass der mächtige Deri der "Vater des korrupten Systems" und Shas eine einzigartige politische Brutstätte für Amtsmissbrauch ist, stört deren Repräsentanten nicht. Sie wollen seine Begnadigung mit allen politischen Mitteln. Und nennen das "den Preis, den man für eine Demokratie bezahlen muss".

Charles Landsmann

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