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Politik: Luft-Alarm

Ab 2005 gelten in der EU schärfere Grenzwerte für Schadstoffe, doch viele deutsche Städte werden sie nicht einhalten

Von Mariele Schulze Berndt,

Albrecht Meier

und Ulrike Scheffer

Die Zeit wird knapp. Ab 2005 gelten in der EU schärfere Grenzwerte für Feinstaub in der Luft, ab 2010 auch für Stickoxide. Das stellt die meisten Bundesländer vor große Schwierigkeiten. Einige schlagen nun Alarm. In einem Brief, der dem Tagesspiegel vorliegt, fordern unter anderem Berlin und Niedersachsen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) auf, sich bei der EU-Kommission für einen Aufschub oder die Herabsetzung der Grenzwerte einzusetzen.

Doch Trittin und die EU-Kommission wollen auf der Einhaltung der Grenzwerte bestehen. Laut Berliner Umweltministerium wurden die Bundesländer sowohl 2002 bei der Umsetzung der „Luftqualitätsrahmenrichtlinie“ in deutsches Recht als auch bei der Beratung der Richtlinie Ende der neunziger Jahren eingebunden. „Sie haben damals auch mit großer Mehrheit zugestimmt", so Ministeriumssprecher Jürgen Maaß. Die Umsetzung der Verordnung sei nun Ländersache. „Die Mitgliedstaaten hatten ausreichend Zeit, schrittweise auf die Grenzwerte hinzuarbeiten“, heißt es in der EU-Kommission.

Nach Angaben des Umweltbundesamtes werden insgesamt 70 bis 100 deutsche Kommunen die Grenzwerte nicht einhalten können. „Die betroffenen Bundesländer müssen bis Ende 2004 erklären, was sie gegen die Belastung unternehmen wollen“, sagt Harald Keiter vom Umweltbundesamt. Betroffen sind vor allem Ballungsgebiete wie das Ruhrgebiet, die Rheinschiene, das Rhein-Main-Gebiet, Stuttgart oder auch Berlin. In anderen europäischen Zentren sehe die Situation ähnlich aus, räumen Kommissionsexperten ein.

Die deutschen Sünder erstellen derzeit so genannte Luftreinhaltepläne, die konkrete Konzepte für die Verringerung der Schadstoffe enthalten sollen. Hauptverursacher ist der Autoverkehr. Einige europäische Metropolen haben bereits gehandelt: Mailand und Athen, aber auch deutsche Städte, haben die Zahl der Parkplätze verringert und die Parkgebühren heraufgesetzt, um Autofahrer aus den Zentren fern zu halten. Italienische Städte verhängten Fahrverbote. Auch die EU-Richtlinie schließt Fahrverbote nicht aus, verlangen kann Brüssel sie aber nicht. „Eines ist sicher“, sagt Martin Lutz von der Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, „wir werden den Verkehr nicht stilllegen“.

Die Situation in der Hauptstadt ist prekär: An 90 bis 100 Tagen wurden 2003 die künftigen Grenzwerte für Feinstaub überschritten, nur 35 Tage sind ab 2005 zulässig. Und auch bei den Stickoxiden liegt Berlin klar über dem ab 2005 erlaubten Jahresdurchschnittswert. „Unser Handlungsspielraum ist gering“, erklärt Lutz. Ein Drittel, zeitweise sogar die Hälfte der Schadstoffe wehten aus dem Umland nach Berlin – unter anderem aus Polen.

In Berlin setzt man vor allem darauf, dass sich Rußpartikelfilter und Katalysatoren für Dieselfahrzeuge durchsetzen und sich das Problem damit entschärft. Ab 2005 sind Rußfilter zumindest für größere Dieselfahrzeuge Pflicht. „Wir könnten längst weiter sein, wenn die deutsche Autoindustrie schneller gewesen wäre“, sagt Lutz. Autohersteller anderer EU-Staaten bauten Rußfilter schon jetzt serienmäßig ein. Auch steuerliche Vergünstigungen für die Nachrüstung alter Diesel-Pkw mit Filtern, wie sie ein Gesetzentwurf des Umweltministeriums vorsieht, können helfen, die Emissionen zu senken. Sollten die EU-Grenzwerte in den kommenden Jahren dennoch mehrfach überschritten werden, droht Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren – und ein sattes Bußgeld.

Mariele Schulze Berndt[Albrecht Meier], Ulrike

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