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Politik: Macht ist eine Frage des Zeitpunkts

Von Lorenz Maroldt Ihn werde niemand aus dem Amt tragen müssen, hat Manfred Stolpe im Laufe der Jahre immer mal wieder gesagt, und es war ihm durchaus nicht unrecht, wenn das als Anspielung auf Johannes Rau verstanden wurde. So wie der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wollte er nicht gehen: erst auf massiven, öffentlich erkennbaren Druck der Parteiführung, die sich von einem Wechsel neuen Schwung für den Bundestagswahlkampf 1998 versprach.

Von Lorenz Maroldt

Ihn werde niemand aus dem Amt tragen müssen, hat Manfred Stolpe im Laufe der Jahre immer mal wieder gesagt, und es war ihm durchaus nicht unrecht, wenn das als Anspielung auf Johannes Rau verstanden wurde. So wie der frühere Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen wollte er nicht gehen: erst auf massiven, öffentlich erkennbaren Druck der Parteiführung, die sich von einem Wechsel neuen Schwung für den Bundestagswahlkampf 1998 versprach.

Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Johannes Rau als Bundespräsident die Rücktritts-Inszenierung des brandenburgischen Ministerpräsidenten mit einem unangenehmen Misston störte, unbeabsichtigt. Seine Aufsehen erregende Rüge Stolpes wegen dessen Verhalten bei der Bundesratssitzung zur Zuwanderung war im Potsdamer Plan nicht vorgesehen. Damit zu tun hat sie nichts.

Davon abgesehen ist der Zeitpunkt des Amtswechsels klug gewählt. Für Stolpe: weil er einen besseren nicht mehr bekommt. Noch werden ihn die Menschen vermissen; mit den Pleiten seiner Prestigeprojekte muss sich sein Nachfolger herumschlagen. Für die SPD: weil sie mit Platzeck als Ministerpräsident im Land jünger und moderner wirkt als die CDU mit Schönbohm, und weil davon auch Schröder im Wahlkampf etwas hat. Für Platzeck: weil er die Pleite-Stadt Potsdam dringend loswerden muss, bevor hier sein Deichgraf-Mythos völlig verblasst, und weil ihn Schröder nicht in die Bundesregierung einbauen konnte – oder nicht mehr wollte.

Das Wort, das nach Stolpes Rücktrittsankündigung überall, auch im Lager des politischen Gegners, am meisten zu hören war, lautet: Respekt. Den hat er sich verdient. Seit 1990 moderierte Stolpe das Regieren im Land, anfangs mit Bürgerrechtlern und Liberalen, dann allein mit der SPD, schließlich an der Seite der CDU; nur die PDS hielt er außen vor, gegen starke Kräfte in der eigenen Partei. Der Aufbau des neuen Landes ist mit seinem n verbunden; das Scheitern der Fusion mit Berlin ist ihm nicht anzulasten, die wirtschaftliche Schwäche Brandenburgs nur zum Teil. Die Führung der SPD nennt ihn eigensinnig, er selbst hält sich für gemeinnützig – im Sinne Brandenburgs.

Das hat ihn geleitet, aber auch verführt: zu bedingungsloser Verteidigung „seiner" Brandenburger selbst dann, wenn es nichts mehr zu verteidigen gab. So warb Stolpe sogar um Verständnis für rassistisches Verhalten eines ganzen Dorfes, anstatt kraft seiner Autorität dazwischenzugehen. Ein Fehler, wie er später zugab. Mitten in der Bundesrepublik hielt sich unter Stolpes Führung eine kleine DDR. Ein anderer, unauflösbarer Widerspruch: Stolpe hätte aus rechtlichen Gründen nicht Lehrer sein können in dem Land, das er als Ministerpräsident regierte. Die Stasi-Vorwürfe weist er bis heute zurück. Er überstand einen Untersuchungsausschuss in dieser Sache und verlor deshalb eine Ministerin: Marianne Birthler, die heute die Stasi-Akten-Behörde leitet.

Vom „Brandenburger Weg“ sprach Stolpe oft, ganz so, als wäre sein Land, und nur sein Land, etwas Besonderes. Vielleicht war es das auch. Man wird es daran sehen, wie Platzeck regiert.

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