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Politik: Macht ohne Probe

Verzichtet Jürgen Möllemann freiwillig auf den FDP-Vorsitz in Nordrhein-Westfalen? Die Anzeichen mehren sich

Von Robert Birnbaum

Es gibt Meldungen, die sind im Wortsinne falsch, aber in einem höheren Sinne durchaus zutreffend. Jürgen W. Möllemann hat am Freitag nicht seinen freiwilligen Rückzug als Landesvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen erklärt. Insofern also war die entsprechende Meldung der Zeitung „Die Welt“ schlicht falsch. Möllemann hat das auch nie vorgehabt. Trotzdem spricht einiges dafür, dass der ewige Quertreiber der Freien Demokraten der letzten Machtprobe aus dem Weg gehen könnte. Wenn am Montagabend im niederrheinischen Wesel die 400 Delegierten des FDP-Sonderparteitags in Nordrhein-Westfalen zusammenkommen, dann ist es vorstellbar, dass der Tagesordnungspunkt „Abstimmung über die Vertrauensfrage des Landesvorsitzenden“ gar nicht mehr aufgerufen wird. Wohlgemerkt – es kann so kommen, es muss nicht.

Oberflächlich betrachtet spricht sogar recht wenig für diese Variante. Dass Möllemann mit Parteichef Guido Westerwelle den taktischen Rückzug verabredet habe, dementieren beide Seiten entschieden. Westerwelle und Möllemann – er hat bei der Bundestagswahl wieder einen Sitz errungen – hatten sich am Rande der konstituierenden Sitzung der Bundestagsfraktion am Mittwoch getroffen. Die Zufallsbegegnung im Fahrstuhl endete in einem viertelstündigen Vier-Augen-Gespräch. Das Ergebnis gab Westerwelle anschließend bekannt: Keine Aussöhnung. Dass in den 15 Minuten der durchtriebene Westfale Möllemann den als gelegentlich zögerlich, gelegentlich auch harmoniesüchtig bekannten Bonner Westerwelle zu einem Geschäft überredet haben soll, dass er im Gegenzug für den kampflosen Rückzug aus allen Parteifunktionen den Vorsitz der Landtagsfraktion in Düsseldorf behalten kann, nennt ein Sprecher Möllemanns „frei erfunden“.

Westerwelle bedenkt das Gerücht, das seit Tagen durch die Liberalen-Szene wabert, mit demonstrativem Desinteresse: Wenn Möllemann verzichten wolle, sei das dessen Entscheidung. Der Sonderparteitag werde so oder so stattfinden und über den Landesvorsitz entscheiden. Will sagen: Westerwelle hält den Rückzug des Mannes, der ihn mit seinem Wahlkampf-Flugblatt zum Machtkampf gezwungen hat, für denkbar. Aber er sieht die Zeit der Absprachen und klammheimlichen Verbrüderungen als beendet an. Wenn es zum Kampf kommen soll, wird es dazu kommen.

Dass auch er – jedenfalls vor dem Abend von Wesel – nicht ans Aufgeben denkt, hat Möllemann am Freitag noch einmal deutlich gemacht: Mit einem dreiseitigen Brief an die 400 Parteitagsdelegierten. Möllemann zählt seine Erfolge auf: Mitgliederzuwachs, Wahlsiege im Bundesland und in den Kommunalwahlen. Möllemann nennt die Flugblatt-Aktion, die ihm abermals den Ruf anti-israelischer Ansichten eintrug, an der gesamten Parteispitze vorbei einen „Fehler“. Er sieht sich zum „Sündenbock“ für ein enttäuschendes FDP-Wahlergebnis gemacht. Möllemann ist auch sensibel: „Persönliche Verletzungen gab und gibt es nicht nur auf einer Seite.“ Und er beschreibt sich als Opfer einer Verschwörung: „Unausweichlich“ müsse die Frage beantwortet werden, ob „aus Berlin entschieden wird, wer die NRW-FDP führt“.

Eine klare Kampfansage also. Sein Herausforderer Andreas Pinkwart hat am gleichen Tag auch an die Delegierten geschrieben. Auch der Professor aus Siegen macht eine Kampfansage: Möllemann habe durch seine „geheime Kommandosache hinter dem Rücken der Partei“ jedes Vertrauen gebrochen. Nicht darum soll es gehen, ob Möllemann auch Gutes getan hat. Sondern darum, was er an Üblem angerichtet hat; um den Bruch aller Loyalitäten, um den Versuch, im Alleingang die politische Grundachse der FDP nach rechts zu verschieben.

Aber nicht Pinkwart wird in Wesel gegen Möllemann kämpfen, sondern Westerwelle. Dass die NRW-FDP sehenden Auges ihren Bundesparteichef und Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl vernichtet – schwer vorstellbar. Genau darum ist der Gedanke so abwegig nicht, dass Möllemann dieses Gefecht in letzter Sekunde doch nicht fechten wird. So oft er nämlich bisher sich in Kämpfe gestürzt hat – solche, bei denen es für ihn hinterher nicht mehr weitergeht, hat er noch stets gemieden. Dass eine Niederlage ihn aber auch den Fraktionsvorsitz in Düsseldorf kosten könnte, ist Möllemann klar. „Wenn ein Schalker auf den Platz geht, dann will er auch gewinnen“, hat der Fußballfan unlängst in Düsseldorf verkündet. Das wichtige Wort daran könnte das „Wenn“ sein.

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