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Alexander Rahr

© DGAP

Machtfrage in Russland: "Sie haben einen Deal, sonnenklar"

Am Mittwoch wird Wladimir Putin das Präsidentenamt an seinen Nachfolger Dimitri Medwedjew abgeben. Einen Tag später wird Putin selbst ein neues Amt übernehmen: Er wird russischer Premierminister. Russland-Experte Alexander Rahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) über neue Machtkonstellationen und alte Freundschaften.

Was wird sich ab morgen in Russland ändern?

Ganz einfach. Es wird ein neuer Präsident inthronisiert. Und es wird sich einiges im Regierungsstil ändern. Putin musste seinerzeit als Draufgänger und Ordnungspolitiker auftreten, beispielsweise wie im Tschetschenien-Krieg, um dem Westen zu zeigen, dass Russland aufsteht. Medwedjew ist anders an die Macht gekommen, über eine ruhigere, wirtschafts- und sozialorientierte Politik.


Bislang lag die Macht in Russland sehr zentral beim Präsidenten. Putin hat in letzter Zeit aber noch einige Gesetzesnovellen durchgebracht, um das Amt des Premiers – sein künftiges Amt – zu stärken. Die Macht wird aufgesplittet. Ist das eine positive Entwicklung?

Das ist eine ambivalente Entwicklung. Es stimmt, dass Putin Medwedjew eingemauert hat: Putin hat versucht, sich einen sehr starken Apparat aufzubauen mit schwergewichtigen Politikern, vor allem aus dem Geheimdienst FSB. Er hat Medwedjew kaum die Möglichkeit gegeben, sich seinen eigenen Apparat zu schaffen. Das zeugt davon, dass Putin in der Tat sehr eifersüchtig darauf achtet, dass er machtpolitisch gesehen einen gewissen Vorsprung vor Medwedjew hat. Gleichzeitig aber weiß er natürlich als jemand, der dieses System geschaffen hat, dass die Macht beim Präsidenten liegt und sie dem neuen Präsidenten nur durch eine radikale Verfassungsänderung zu nehmen ist. Mit der Zeit wird Medwedjew Putin einholen, irgendwann auch einmal überholen.


Medwedjew wird also auf lange Sicht keine Marionette Putins sein?

Das kann man sich nur sehr schwer vorstellen, denn alle Schalthebel der Macht sind im Kreml platziert. Und der Apparat, der im Kreml Medwedjew zuarbeitet, ist langfristig viel stärker, bedeutsamer und wichtiger als der Regierungsapparat des Premiers, der für viele, nicht aber für alle wichtigen Fragen zuständig sein wird.   


Aber dieser Kreml-Verwaltungsapparat ist doch sehr stark von Putin geprägt…

Medwedjew selbst war ja auch Teil der Putin-Mannschaft und er kennt die Leute aus St. Petersburg genauso gut wie Putin. Diese Leute kennen sich alle seit 20 Jahren persönlich und haben sehr eng zusammengearbeitet. Es ist durchaus realistisch, dass sich diese Mannschaft, die bisher eine Putin-Clan gewesen ist, spalten wird: in einen Teil, der 100-prozentig loyal zu Putin steht und in einen Teil, der aufgrund der sehr guten Beziehungen zu Medwedjew bald schon eine große Loyalität Medwedjew gegenüber entwickeln und eine starke politische Autorität im Kreml mit sich bringen wird.


Zwei Bären können nicht in einer Höhle leben, sagt ein russisches Sprichwort. Putin wird Vorsitzender der Kreml-Partei „Einiges Russland“, die eine 2/3-Mehrheit im Parlament hat. Kann hier nicht die Gefahr für Medwedjew liegen, dass Putin ihn möglicherweise durch Gesetzes- und Verfassungsänderung doch wieder vom Thron stoßen wird?

Putin hat enorme Macht auf dem Papier und auch in der Realität. Aber Medwedjew hat die eigentlichen Schalthebel in der Hand, das darf man nicht vergessen. Er kann den Premierminister Putin von heute auf morgen absetzen. Wenn das Parlament der Absetzung nicht zustimmt, kann er das Parlament praktisch auseinanderjagen. Das wird für ihn machbar sein. Die Macht ist also relativ ausgeglichen.

Gibt es eine Absprache zwischen den beiden, wie sie sich die Macht aufteilen?

Dass sie einen Deal haben, ist sonnenklar. Was sie ausgemacht haben, das wissen wir allerdings nicht. Es wird aber in jedem Fall so sein, dass der Präsident weiterhin als das zentrale Gesicht Russlands fungieren kann. Alles andere wäre eine Beschädigung der zentralen Institutionen der Macht.

Alexander Rahr ist Programmdirektor Russland/Eurasien bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP).
Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes (2003) und Ehrenprofessor an der Moskauer Staatsuniversität für internationale Beziehungen (MGIMO).

Interview von Simone Bartsch

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