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Politik: Machtkampf der Mörder

Die Palästinenser bezeichnen den jüngsten Anschlag in Israel als Vergeltung – aus Sicht von Experten geht es auch um Einfluss

Fast sechs Monate hielt die Ruhe – die Doppelanschläge in Beerscheva am Dienstag zeigten, dass sie trügerisch war. 16 Menschen rissen die Selbstmordattentäter mit in den Tod. Und Beobachter befürchten, dass es nur der erste Anschlag einer neuen Welle war. Die offiziellen palästinensischen Organe, so wird vermutet, werden keinen Finger rühren um Hamas, Islamischen Dschihad und Al-Aksa-Brigaden aufzuhalten.

Zwar behauptet die Hamas, es habe sich um einen Vergeltungsschlag für die Liquidierung ihrer Anführer Scheich Ahmed Jassin und Abdel Asis Rantissi gehandelt. Doch in Wirklichkeit dürfte es um Macht gehen. „Die Palästinenser töten Juden, aber denken dabei an sich selbst“, sagt Guy Bechor, Palästinenserexperte am Interdisziplinären Zentrum in Herzlia. Nachdem der politischen Führung der Palästinenser intern klar ist, dass der israelische Abzug aus dem Gazastreifen in einem Jahr Realität sein wird, bereiten sich die offiziellen Stellen und die diversen Gruppierungen auf einen aus ihrer Sicht fast historischen Kampf an zwei Fronten vor: gegen die abziehenden Israelis und um die Machtübernahme danach.

Seit einigen Monaten ist der verheerende Einfluss der von Libanon aus agierenden Hisbollah in den palästinensischen Gebieten – vor allem im Westjordanland – deutlich spürbar, sowohl was die Kampftaktik als auch was die Ideologie verschiedener Gruppen betrifft. Nach Ansicht politischer Beobachter hat die Hisbollah es verstanden, den überstürzten israelischen Rückzug aus Südlibanon als schmähliche Flucht vor ihren todesmutigen Kämpfern darzustellen. Genau dieses Bild will insbesondere die Hamas – aber auch Jassir Arafat – auf dem Gazastreifen übertragen. Jeder Meter palästinensischen Bodens muss gewaltsam befreit werden und nicht durch Verhandlungen und Verträge – dies ist die bei Islamisten und Arafat vorherrschende Meinung. Aus ihrer Sicht, so sagt nicht nur Experte Bechor, geht es also um die Frage, „ob der israelische Rückzug aus Gaza als Position der Stärke Israels skizziert wird oder ob er sich als israelische Flucht unter dem Druck palästinensischer Anschläge präsentiert“.

Nachdem es um die Hamas in den vergangenen Monaten wohl nicht zuletzt aufgrund des Verlusts der gesamten Führungsspitze relativ ruhig geworden war, musste damit gerechnet werden, dass sie nach Wiederaufbau der Kommandostrukturen versuchen würde, so blutig wie nur möglich zuzuschlagen. Nichts ist im Gazastreifen populärer und damit als Basis für den Machtkampf besser, als strategische und gleichzeitig spektakuläre Terroranschläge gegen Israel: Mehr als 20 000 Hamas-Anhänger zogen nach dem Doppelanschlag jubelnd durch Gazas Straßen.

Die israelischen Liquidierungsaktionen haben auch dazu geführt, dass sich die Machtverhältnisse innerhalb der Hamas verschoben haben. Israels Generalstabschef Mosche Jaalon erklärte am Mittwoch vor den Abgeordneten der Knesset auch den Hintermännern der Terroristen den Krieg und meinte damit Arafats Palästinenserbehörde, die Hisbollah in Libanon, die mit syrischer Einwilligung agierenden Kommandozentralen in Damaskus und Iran, dem finanzielle Unterstützung der Terroristen und Waffenlieferungen vorgeworfen werden.

Jaalon verwies vor den Parlamentariern auch auf den zweiten Aspekt des Blutbades von Beerscheva. Denn fest steht, dass die beiden Selbstmord-Attentäter aus Hebron kamen und durch keinen Sicherheitszaun auf ihrem Weg zum Tatort behindert wurden. Staatspräsident Mosche Katsav bezeichnete die Attentäter als „nicht rational und geistig nicht normal“. Solchen Menschen müsse man mit dem Zaun Einhalt gebieten. Deshalb müsse der Bau nicht nur beschleunigt werden: „Der Zaun muss das nationale Projekt werden.“

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