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Politik: Machtkampf in der Diaspora

Nach dem Verzicht von Tiefensee auf die Spitzenkandidatur steht die SPD in Sachsen ohne Zugpferd da

Von Matthias Meisner

Sachsens SPD ist in der Bredouille – jetzt erst recht. Die Absage von Wolfgang Tiefensee, der nicht Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2004 werden will, hat die Genossen kalt erwischt. Und Streit ausgelöst: Bei einer Sitzung des Landesvorstandes am Freitagabend in Leipzig warfen sowohl Landeschefin Constanze Krehl als auch der Vorsitzende der Landtagsfraktion, Thomas Jurk, ihren Hut in den Ring. Der Sachsen-SPD, die 1999 mit 10,7 Prozent auf einen historischen Tiefstand gefallen war, droht nun ein zermürbender Kampf um die Spitzenkandidatur. Mit verheerender Aussicht: Weil aus Berlin kein Rückenwind zu erwarten ist, fürchten manche Sozialdemokraten in Sachsen nun 2004 ein Ergebnis im einstelligen Bereich.

Nachdem der Leipziger Oberbürgermeister erklärte hatte, sich voll auf die Olympia-Bewerbung seiner Stadt kümmern zu wollen, hatte Generalsekretär Olaf Scholz die Spitzen der Landespartei zu Wochenbeginn nach Berlin gebeten – neben Jurk, Krehl und Tiefensee kam auch der frühere Ost-Staatsminister im Kanzleramt, Rolf Schwanitz zum Krisengespräch. Die Botschaft an Krehl und Jurk war klar: Beide sollten sich bei einem Vier-Augen-Gespräch über das weitere Procedere einigen. Doch davon kann keine Rede sein.

Zwar versichert Jurk: „Wir sind Leute, die genügend politische Erfahrung mitbringen, um eine Partei im Wahlkampf zu führen – übrigens dann auch gemeinsam, egal wer von uns beiden nominiert wird.“ Und Krehl betont, die „gute Stimmung“ aus dem Landesverband werde nun an die Basis vermittelt. Doch zum direkten Gespräch wollen sich Krehl und Jurk erst innerhalb der nächsten zwei Wochen treffen – und keinesfalls ist sicher, dass dann nur noch ein Spitzenkandidat übrig ist. Das Verhältnis der beiden Landesspitzen gilt als schwierig, Strahlkraft indes hat weder die Europaabgeordnete Krehl noch ihr innerparteilicher Widersacher Jurk entfalten können. Stattdessen geraten sich die beiden immer wieder in die Haare – etwa wenn es um das Verhältnis zur PDS geht. Als die SPD-Landtagsfraktion vor zwei Jahren eine Veranstaltung gemeinsam mit der PDS ausrichtete, zeigte sich Krehl in einem Schreiben an Jurk „verwundert“, forderte „in sensiblen Bereichen wie gemeinsamen Veranstaltungen mit der PDS auf landespolitischem Parkett“ bessere Abstimmung. „Nur geschlossen kann die SPD Sachsen Erfolge erzielen“, schrieb Krehl damals weiter. Doch gelernt haben die Akteure seither offenbar nicht.

SPD-Bundespolitiker wie Manfred Stolpe beschränken sich auf die Auskunft, es sei zu akzeptieren, dass ein „Hoffnungsträger“ wie Tiefensee für Olympia kämpfe. Zur Frage der fehlenden Hoffnung der Sachsen-SPD wird in Berlin dagegen lieber geschwiegen.

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