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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro.

© imago/ITAR-TASS/ Valery Sharifulin

Machtkampf in Venezuela: Maduros Angst vor Deserteuren

An den Grenzen von Venezuela sind zuletzt Soldaten geflohen. Sie berichten über den Druck des Regimes.

Jorge Luis González Romero und Jean Carlos César Parra fassten am Wochenende den dramatischen Entschluss und flohen über die Grenze nach Brasilien. Er könne die Diktatur des Nicolás Maduro nicht weiter ertragen, sagte Gonzales gegenüber brasilianischen Journalisten. Seine Kameraden in Uniform hätten Angst. Was sich an der Grenze zu Brasilien abspielt, passiert in ähnlicher Form auch im Westen Venezuelas. Stimmen die Angaben der kolumbianischen Migrationsbehörde, dann hätten rund 150 Angehörige der Streitkräfte Venezuelas die Grenze übertreten.

Das sind zwar vergleichsweise überschaubare Zahlen, aber die Gefahr der schleichenden Erosion ist den sozialistischen Machthabern in Caracas durchaus bewusst. Sie nennen jene Soldaten und Polizisten, die die Waffen niederlegen und gehen, Verräter. Dass diese in Kolumbien und Brasilien wie Helden empfangen werden, dürfte innerhalb der venezolanischen Armee genau verfolgt werden. Es gibt Aussagen von Deserteuren, die von brutalem Druck auf die Armeeangehörigen seitens der Militärspitze berichten.

Der Plan, mit den humanitären Hilfslieferungen die Loyalität der venezolanischen Armee zu testen, ist am Wochenende im Großen und Ganzen gescheitert. Die Polizei reagierte mit aller Härte, setzte Tränengas und Schusswaffen ein. Es gibt Berichte über Tote an der Grenze zu Brasilien. Auch ein Gerücht über ein Massaker macht die Runde, das ist bislang aber nicht bestätigt.

Guaidó wirkt angeschlagen

Seitdem gibt es eine gewisse Ratlosigkeit in der Allianz der Opposition um den Interimspräsidenten Juan Guaidó. Der junge Parlamentspräsident hatte alles auf die Karte am Samstag gesetzt und steht nun erst einmal ohne einen Plan B da. Er wirkt etwas angeschlagen, die Unbekümmertheit der ersten Tage ist erst einmal dahin. In der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá soll das Treffen der Lima-Gruppe – ein Zusammenschluss mehrerer überwiegend Maduro-kritischer Staaten aus ganz Amerika – Aufschluss über ihr weiteres Vorgehen geben. Perus Außenminister Hugo de Zela Martínez erteilte den Falken in der Gruppe gleich zum Auftakt eine klare Absage: „Gewalt ist keine Lösung für das, was passiert in Venezuela. Wir sind gekommen, um für eine friedliche Lösung zu kämpfen.“ Erwartet wird in Bogotá auch US-Vizepräsident Mike Pence.

Aus den USA, aber auch aus der venezolanischen Opposition hört man dagegen zunehmend radikalere Töne. So erklärte der amerikanische Außenminister Mike Pompeo, es läge alle Optionen auf dem Tisch. Damit sollte offenbar auch eine militärische Intervention gemeint sein. Dafür gibt es in Lateinamerika allerdings kaum Befürworter.

Keines der beteiligten Länder hat ein wirkliches Interesse an einer kriegerischen Auseinandersetzung, dazu ist die Lage zu unübersichtlich und droht zu schnell sehr leicht zu eskalieren. Der direkte Nachbar Kolumbien verfügt zwar über eine kriegserfahrene Armee, steckt aber selbst noch in einem internen bewaffneten Konflikt mit der Maduro-nahen Guerilla-Organisation ELN. Zudem gibt es in Kolumbien auch große Teile der Bevölkerung, die eine militärische Auseinandersetzung mit Venezuela ablehnen. Auch die entwaffnete Ex-Guerilla FARC würde Gewalt gegen den Nachbarn kaum akzeptieren.

Guaidó könnte Neuwahl ausrufen

Es gibt aber offenbar auch die Idee, dass Guaidó in seiner Eigenschaft als Interimspräsident Neuwahlen ausruft. Wie diese dann organisiert und überwacht werden, wenn sie gegen einen im Amt befindlichen Machtapparat durchgeführt werden, ist allerdings unklar. Er wäre dann wieder auf das Engagement von Freiwilligen angewiesen.

Guaidó hat selbst ein großes praktisches Problem: Er muss erst mal wieder zurück nach Venezuela. Mit dem Grenzübertritt vor wenigen Tagen hat er gegen eine gegen gegen ihn verhängte Ausreisesperre verstoßen. Dass würde Maduro die Gelegenheit geben, Guaidó bei der Wiedereinreise zu verhaften und erst einmal aus dem Verkehr zu ziehen. Dann wäre der Oppositionsführer von seinen Anhängern getrennt. Bleibt er in Kolumbien, besteht die Gefahr, dass der Kontakt ebenfalls abbricht.

Dafür werden weitere Sanktionen und diplomatischer Druck denkbar. Die Ausweisung aller Angehörigen hochrangiger venezolanischer Funktionsträger aus Politik und Armee bringen die Amerikaner ins Spiel. Und vielleicht schlägt auch bald die Stunde der von Mexiko und Uruguay ins Leben gerufenen Kontaktgruppe, in der auch Europa vertreten ist. Maduros Position ist seit dem Wochenende wieder etwas fester. Aber auch er braucht eine Perspektive, dass sich in dieser Krise wieder irgendetwas bewegt.

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