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Mustafa Abdel Dschalil (links) übergibt die libysche Flagge an den Parlamentarier Mohammed Ali Salim.

© dpa

Machtübergabe in Tripolis: Das libysche Volk regiert sich nach 60 Jahren wieder selbst

In Libyen regiert nun ein gewähltes Parlament. In der Nacht zum Donnerstag wurde dem libyschen Nationalkongress offiziell die Macht übergeben. Die Abgeordneten stehen vor der schwierigen Aufgabe, das Land zu stabilisieren.

Dem Moment des Jubels ging ein Moment der Stille voraus. Bevor der libysche Übergangsrat die Macht offiziell an den neu gewählten Nationalkongress übergab, gedachte man der Opfer des blutigen Aufstandes gegen den Diktator Muammar al-Gaddafi. Opfer, die den folgenden Moment ermöglichten. In einem symbolischen Akt überreichte der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdel Dschalil, dem Parlamentarier Mohammed Ali Salim eine libysche Flagge. Das libysche Volk hat seine erste gewählte Vertretung seit 60 Jahren.

Aufgabe des im vergangenen Juli gewählten Kongresses wird es sein, die Wahl einer verfassungsgebenden Versammlung vorzubereiten und ein Referendum über eine zukünftige Verfassung zu organisieren. 120 der 200 Parlamentssitze waren für unabhängige Kandidaten reserviert. Die Partei für Gerechtigkeit und Aufbau - die Partei der Muslimbrüder in Libyen - gewann 17 Sitze. Stärkste Kraft mit 39 Sitzen wurde die gemäßigte Allianz der Nationalen Kräfte, der auch Mustafa Dschalil angehört.

Video: Machtübergabe im libyschen Parlament

Dieser sprach von einem historischen Moment: "Wir schließen damit ein Kapitel der Diktatur und schlagen eine neue Seite im Aufbau des Staates Libyen auf." Dschalil fungierte einst als Justizminister Gaddafis, lief aber als einer der ersten Regierungsbeamten zu den Rebellen über. Angeblich wollte er bereits im Januar 2010 zurücktreten, lange bevor die Rebellion begann. Gaddafi lehnte sein Anliegen ab. Nur wenige Tage nach dem Beginn der Rebellion 2011 trat er zurück und übernahm die Führung des oppositionellen Übergangsrates. Obwohl der Rat niemals durch Wahlen legitimiert wurde, erkannte die UN-Generalversammlung seine Vertreter als offizielle Repräsentanten des libyschen Volkes an.

Und als solcher fungierte er auch in der Zeit nach Gaddafi. Dadurch fiel ihm auch die Aufgabe zu, für die Sicherheit im Land zu sorgen. Eine Aufgabe, die der Rat nicht zur Zufriedenheit seines Vorsitzenden erfüllte.

In seiner Rede gab Dschalil zu, dass es "in einer schwierigen Zeit" nicht gelungen sei, die Sicherheit und Stabilität in Libyen zu sichern. Ein Problem stellen vor allem die vielen bewaffneten Milizen dar, die in der Zeit der Rebellion entstanden sind. Bis heute weigern sich viele von ihnen, sich staatlicher Autorität zu unterwerfen. Einige verlangen, für ihren Einsatz gegen Gaddafis Truppen entlohnt zu werden. Wer aber tatsächlich in der Rebellion gekämpft hat und wer einfach nur Profit aus einer unübersichtlichen Situation schlagen will, ist unklar.

Nach ihrer Vereidigung traten die Abgeordneten sofort zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammen. Als nächstes steht die Wahl eines Parlamentspräsidenten an. Nach 40 Jahren ununterbrochener Diktatur muss es jetzt darum gehen, das Land zu modernisieren und zu demokratisieren. Erste Schritte wurden bereits getan. Durch eine spezielle Listen-Regelung der Parteien, sind 33 der 200 Abgeordneten Frauen.

Während der Übergabe-Zeremonie hatte Dschalil eine nicht verschleierte Moderatorin auf der Bühne abgelehnt. "Wir glauben an die individuellen Freiheiten und schützen sie, aber wir sind Muslime und deshalb an unsere Prinzipien gebunden", sagte Dschalil. "Das muss jeder hier verstehen.

(mit dpa/AFP)

Francesco Giammarco

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