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Tomasz Grodzki, der neue Senatspräsident, spreizt die Finger zum Siegeszeichen.

© Agencja Gazeta/Slawomir Kaminski/REUTERS

Machtverschiebung in Warschau: Opposition kontrolliert Polens Senat

Mit vereinten Kräften wählt ein Bündnis aus Linken und Liberalen den Arzt Tomasz Grodzki zum Senatspräsidenten – und bricht die Dominanz der PiS. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Sie haben es vollbracht. Die Macht der polnischen Regierungspartei PiS bekommt Risse. Ein heterogenes Bündnis von der Linken bis zu den Wirtschaftsliberalen hat den 61-jährigen Arzt Tomasz Grodzki zum Senatspräsidenten gewählt. Die Opposition kontrolliert nun zumindest eine Kammer des Parlaments.

Der Lungenspezialist bringt frische Luft

Der Lungenspezialist aus Stettin bringt frische Luft in das Institutionengefüge. Er kann Gesetzesprojekte der PiS zwar nicht verhindern, aber verzögern und eine öffentliche Debatte ermöglichen. In den vergangenen vier Jahren hatte der Senat die Vorschläge des Sejm, in dem die PiS weiter die absolute Mehrheit hält, abgenickt, oft zu nächtlicher Stunde und ohne der Opposition Gelegenheit zur Diskussion zu geben.

Die Oppositionsparteien hatten gezittert, ob ihre labile Allianz hält. Oder ob dem Chef der Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, wieder mal ein Winkelzug einfällt, um die Opposition zu spalten und die Dominanz in beiden Kammern des Parlaments zu retten. Die PiS hatte, zum Beispiel, einem oppositionellen Senator das Amt des Sportministers angeboten, um ihre Ausgangslage vor der Wahl des Senatspräsidenten zu verbessern.

Die Wahl Mitte Oktober hatte ein Patt im Senat ergeben: je 48 Sitze für die PiS und die Opposition mit vier Unabhängigen als Zünglein an der Waage. Dann der Jubel, als das Ergebnis der geheimen Abstimmung feststand: 51 zu 48 Stimmen für Grodzki, der der größten Oppositiongruppe angehört, der Bürgerkoalition.

Ein Test für die Präsidentenwahl im Frühsommer

Grodzki spreizte die Finger zum „V“, dem „Victory“-Zeichen der Gewerkschaft Solidarnosc im Kampf gegen den Kommunismus. „Dies ist nicht mein Triumph. Es ist der Sieg der Demokratie.“ Zugleich wandte er sich gegen Rachebedürfnisse aus den Reihen der Opposition. Einige wollten der PiS nun umgekehrt einen Sitz im Senatspräsidium verweigern.
Dem ersten Test werden weitere folgen. Beide Lager wissen: Es geht nicht nur um die Gesetzgebung der nächsten Jahre. Wenn die unwahrscheinliche Koalition gegen die PiS sich als verlässlich erweist, kann dies eine Eigendynamik auslösen und neue Perspektiven für die Präsidentschaftswahl im Frühsommer 2020 öffnen.

Je realistischer die Aussicht wird, der PiS durch die Einigung auf einen einzigen Gegenkandidaten das Amt des Staatsoberhaupts zu entreißen mit dessen Einflussmöglichkeiten auf das Justizwesen und die Außenpolitik, desto größer wird der Druck auf die diversen Oppositionskräfte, sich dem erneuten strategischen Schulterschluss nicht zu verweigern.

Umgekehrt wächst der Druck auf die PiS, die persönlichen und inhaltlichen Spannungen zwischen den Oppositionsgruppen zu nutzen, um sie auseinander zu dividieren.

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