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Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel in Berlin

© AFP/Kay Nietfeld

Frankreichs Präsident in Berlin: Merkel und Macron – zumindest einig, dass sie nicht einig sind

Auf der Baustelle des Berliner Schlosses beschwören Merkel und Macron den Geist der Gebrüder Humboldt. Ein Kompromiss im Streit um die Zukunft der Euro-Zone ist aber nicht in Sicht.

Mit den Humboldt-Brüdern hat Emmanuel Macron in der Vergangenheit in Berlin eher Positives verbunden. Zu Beginn des vergangenen Jahres hielt er in der Humboldt-Universität eine flammende Rede für Europa – ein Plädoyer, das anschließend auch bei seinen Landsleuten im Präsidentschaftswahlkampf verfing. Am Donnerstag besichtigte Frankreichs Staatschef nun gemeinsam mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Baustelle des Humboldt-Forums im Berliner Stadtschloss. Zweimal Berlin, zweimal Humboldt – es scheint, als lägen Welten zwischen Macrons aktuellem Besuchstermin in der Hauptstadt und seiner Humboldt-Rede vom Januar 2017. Der Grund: Berlin droht Macron in der EU-Politik auszubremsen.

Die Begegnung zwischen Merkel und Macron im Humboldt-Forum verströmte den Flair des Unfertigen. An einem Aufgang neben Baucontainern verfolgten Bauarbeiter, wie die Kanzlerin den Präsidenten vor der eingerüsteten Barockfassade des Stadtschlosses begrüßte. Bevor sich Merkel und Macron zu einer Unterredung ins Kanzleramt begaben, hielten sie eine gemeinsame Pressekonferenz in in einem halbfertigen Saal des Humboldt-Forums mit Blick auf das Rote Rathaus ab.

Zwar bemühten beide den Geist der Gebrüder Humboldt, um etwa auf die historisch gewachsene Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs in der Kultur und der der Wissenschaft hinzuweisen, wie Merkel dies tat. Allerdings hakt es derzeit politisch zwischen beiden Ländern, wenn es um die Reform der Euro-Zone geht. Der vor knapp einem Jahr zum Staatschef gewählte Macron hat ehrgeizige Vorschläge wie die Einrichtung eines eigenen Budgets für die Euro-Zone gemacht, die der Kanzlerin und insbesondere der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag zu weit gehen. „Es gibt natürlich auch immer unterschiedliche Ausgangspunkte der Meinungen von Deutschland und Frankreich“, sagte die Kanzlerin. „Wir brauchen offene Debatten, und wir brauchen zum Schluss auch die Fähigkeit zum Kompromiss“, erklärte sie.

Bis zum EU-Gipfel Ende Juni wollen Merkel und Macron Vorentscheidungen über das weitere Vorgehen bei umstrittenen Themen wie dem Euro-Zonen-Budget, einer gemeinsamen Europäischen Einlagensicherung oder dem geplanten Umbau des bestehenden Euro-Rettungsmechanismus ESM in einen Europäischen Währungsfonds treffen. Sie kündigten an, dass sich Berlin und Paris bei einem deutsch-französischen Ministerrat am 19. Juni noch einmal abstimmen wollen. Als Macron erklärte, es mangele angesichts der geplanten Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion nicht an Arbeit, lächelte Merkel demonstrativ – so als wolle sie signalisieren: Auch wenn sie derzeit angesichts der deutschen Hinhaltetaktik als „Madame Non“ erscheint, kann sie durchaus im Verlauf der Diskussion auch Zugeständnisse machen.

Merkel kann sich gemeinsame Einlagensicherung grundsätzlich vorstellen

Immerhin ist sich Merkel im Grundsatz mit dem französischen Präsidenten darin einig, „dass die Euro-Zone noch nicht ausreichend krisenfest ist“, wie die Kanzlerin hervorhob. Allerdings verfolgen die beiden einen unterschiedlichen Ansatz: Die deutsche Regierungschefin setzt bei der Reform der Euro-Zone vor allem auf mehr Wettbewerbsfähigkeit, während Macron neue Investitionstöpfe als Gegenmittel für Wirtschaftsflauten in einzelnen Mitgliedstaaten für sinnvoll hält. „Wir müssen neue Konvergenzen schaffen“, betonte er.

Als rotes Tuch erscheint derzeit hierzulande vor allem für Branchenverbände wie den Deutschen Sparkassen- und Giroverband die geplante Europäische Einlagensicherung. Dabei ist vorgesehen, dass sich die nationalen Einlagensicherungssysteme im Krisenfall gegenseitig mit Krediten helfen. Merkel machte deutlich, dass sie ein derartiges Sicherungssystem keineswegs bis zum St. Nimmerleinstag auf die lange Bank schieben will. Die Bundesregierung sei bereit, „in einer vielleicht nicht unmittelbaren Zukunft“ eine gemeinsame Einlagensicherung zu schaffen, betonte sie.

Macron reist zu Staatsbesuch in die USA

Macron darf sich derzeit als Führungsfigur innerhalb der EU fühlen. Es ist ausgerechnet US-Präsident Donald Trump, der ihm eine internationale Aufwertung zuteil werden lässt. Macron ist der erste, dem in Washington in der kommenden Woche die Ehre eines Staatsbesuchs zuteil wird. Am Dienstagabend ist ein privates Dinner von Trump, der First Lady Melania, Macron und seiner Frau Brigitte vorgesehen. Am Mittwoch ist dann eine Rede Macrons vor dem US-Kongress geplant. Weniger glanzvoll fällt Merkels US-Besuchsprogramm aus, die ebenfalls in der kommenden Woche nach Washington reist. Auf die Frage, mit welcher gemeinsamen Botschaft sie in der kommenden Woche Trump begegnen werden, antwortete Merkel, dass sie sich mit Macron darüber abstimmen werde, ob man in den Gesprächen mit dem US-Präsidenten auch „die europäische Perspektive einbringen“ könne.

Die Streiklust der Bahnmitarbeiter in Frankreich schwindet

Für Macron ist indes nicht nur entscheidend, welche Figur er auf der internationalen Bühne abgibt. Seine Landsleute dürften den 40-Jährigen derzeit am ehesten daran messen, wie er sich beim so genannten „Kampf der Schiene“ schlägt. Seit Anfang April machen die Gewerkschaften gegen Macrons Plan mobil, das staatliche Bahnunternehmen SNCF umzubauen. Dabei sollen bei Neueinstellung jahrzehntealte Privilegien der Eisenbahner wegfallen. Bevor er nach Berlin kam, hatte sich Macron am Mittwoch eine hitzige Diskussion mit Mitgliedern der Gewerkschaften CGT und Sud-Rail geliefert. Auch am Donnerstag streikten Lokführer in Frankreich. Die Beteiligung der Bahnmitarbeiter an der Arbeitsniederlegung nahm aber auch am achten Streiktag ab. Derweil kann Macron auf die Öffentlichkeit bauen: Nach einer Umfrage des Fernsehsenders BFM-TV halten es 62 Prozent der Franzosen für richtig, dass er die SNCF-Reform bis zum Ende durchziehen will.

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