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Politik: Mäkeln und mitmachen

Die Grünen rechnen mit Ja des Sonderparteitags zur Agenda 2010

Von Hans Monath

Auf den Unmut der Basis über die Agenda 2010 hatte die Parteiführung der Grünen früher als die SPD mit dem Zugeständnis eines Sonderparteitags reagiert. Doch erst zwei Wochen nach den Sozialdemokraten stimmt die kleinere Regierungspartei über die Sozialreformen ab. Zwar gelten Grünen-Parteitage generell als unberechenbar. Doch dürfte es am Wochenende in Cottbus entspannter als zuvor bei der SPD zugehen. Denn anders als der Kanzler hat bislang kein Spitzengrüner mit Rücktritt drohen müssen, um rebellische Delegierte zur Räson zu bringen.

An der SPD-Mehrheit von (geschätzten) 90 Prozent möchte sich die Grünen-Spitze denn vor dem Parteitag auch nicht messen lassen. Offizielles Ziel ist deshalb eine „solide Mehrheit“ für die Sozialreformen. Dass es aber auch für den kleineren Partner um eine zentrale Entscheidung geht, zeigt allein die Tatsache, dass Joschka Fischer wie auch die anderen Minister der Grünen in Cottbus persönlich für die Agenda werben werden.

Erstaunlich geschlossen steht die Parteispitze quer durch alle politischen Strömungen hinter einem Leitantrag von Bundesvorstand und Parteirat, der die Agenda 2010 als notwendig befürwortet und gleichzeitig Nachbesserungen verlangt: „Ausdrücklich kritisieren wir an der Agenda 2010, dass eine klare Ausrichtung der Reformen am Ziel einer nachhaltigen Entwicklung fehlt und die Umwelt- und Verbraucherpolitik kaum berücksichtigt wird“, heißt es darin: „Hier sehen wir dringenden Ergänzungsbedarf."

Trotz kritischer Anmerkungen („ein problematischer Teil des Vorschlagpakets“) trägt der Vorschlag der Parteispitze auch die geplante Kürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld und befürwortet die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Gleichzeitig sollen Erklärungen zur sozialen Abfederung der Einschnitte wie die Nichtanrechnung von Altersvorsorge und die Verhinderung von Kinderarmut die Akzeptanz für die Delegierten leichter machen. Die Aufgabe der paritätischen Finanzierung des Krankengelds sollen die Grünen unter der Voraussetzung mittragen, dass sie nicht den „ Einstieg in den Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung des Sozialsystems“ darstellt. Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke erwartet dennoch, dass die heftigsten Debatten sich um die Themen Krankengeld, Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe sowie Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes drehen werden.

Trotz der an der Parteibasis verbreiteten Skepsis, wonach die Zumutungen sozial unausgewogen seien, hat anders als in der SPD bislang kein Grünen-Abgeordneter eine Ablehnung im Bundestag angedroht. Selbst Vertreter der Parteilinken werben für das Paket, das sie in Details freilich noch verändern wollen. Parteichef Reinhard Bütikofer hat den Kritikern Brücken zu einer Zustimmung gebaut, weil er wichtige Forderungen wie etwa die nach einer stärkeren Belastung großer Vermögen durch den Staat in den Leitantrag aufnahm. Innerhalb der Grünen-Führung besteht Dissens darüber, wie massiv die eigene Reformbotschaft sein soll. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt verkündete in der „Süddeutschen Zeitung“, Deutschland stehe „in einer revolutionären Umbruchphase“. Andere Spitzenpolitiker warnen jedoch davor, die Akzeptanz für Strukturreformen durch immer neue Sparbotschaften und Kürzungsandrohungen zu gefährden.

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