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US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump

© AFP/Getty Images/Scott Olson

Männer in der Politik: Trumps Testosteronmangel

"Es muss furchtbar sein, Donald Trump zu sein": Warum es die zornigen alten Männer in die Politik zieht. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Fabian Leber

Vor zwei Wochen machte Donald Trump mit einer besonders frauenfeindlichen Bemerkung Furore. Bezogen auf die Fernsehmoderatorin Megyn Kelly sagte er: „Man kann sehen, dass Blut aus ihren Augen herauskam, dass Blut wo auch immer aus ihr herauskam.“ Der Trump-Euphorie in den USA tat das keinen Abbruch. 57 Prozent der republikanischen Wähler glauben, dass der Immobilientycoon die parteiinterne Nominierung holt.
Vermutlich hat Trump seine sexistische Bemerkung sogar geholfen. Denn er ist der Kandidat der zornigen weißen Männer. Zwar gibt es auch Frauen, die seine abschätzigen Bemerkungen mögen. Der Kern von Trumps Anhängerschaft aber ist klar bestimmbar. Laut der letzten CNN-Umfrage haben 41 Prozent der Männer eine gute Meinung von ihm, aber nur 31 Prozent der Frauen. Bei Weißen führt er mit 20 Prozentpunkten Vorsprung.

Das Leben als Nullsummenspiel

Dass westliche Gesellschaften ein Männerproblem haben, zeigt sich nicht nur in den USA. Wer jemals bei AfD-Parteitagen war, der weiß, dass Zorn und Wut vor allem ein männliches Gesicht haben, meist in Verbindung mit ergrauten Haaren. 2013 hätte die Partei es in den Bundestag geschafft, hätten nur Männer abstimmen dürfen. Die sächsische Landeszentrale für politische Bildung setzte im Zuge der Pegida-Aufregung eine Veranstaltungsreihe an – mit dem Titel: „Die zornigen alten Männer.“ Die vor allem seien in Dresden mitgelaufen, sagte Frank Richter, Präsident der Landeszentrale. Im Beisein von eingeladenen Landespolitikern sollten sie mit Richters Hilfe ihrer Wut freien Lauf lassen können. Der Zorn allerdings verrauchte nicht, er wurde erst richtig angefacht. Würde man auch eine Diskussionsreihe namens „Die zornigen alten Frauen“ ins Leben rufen?

Der Soziologe Michael Kimmel hat ein Buch über den wütenden Mann in den USA geschrieben, das gerade auf Deutsch erschienen ist. In „Angry White Men“ (Orell Füssli Verlag) beschreibt er das Gefühl von weißen Männer aus der Unter- und Mittelschicht, die sich entweder von Frauen, Einwanderern oder Schwulen um Privilegien gebracht fühlten, diese Vorrechte aber nicht als solche erkennen würden. Sie empfänden das Leben als „Nullsummenspiel, in dem alle Gewinne der anderen auf Kosten der weißen Männer gehen“.
In dem Buch geht es um die traditionellen Ideale von Männlichkeit – physische Stärke, Macht und Durchsetzungskraft. Es gebe ein Missverhältnis zwischen dem, was viele Männer für männlich hielten und der Möglichkeit, diese Art von Männlichkeit in der heutigen Welt zu verwirklichen, schreibt Kimmel. Er kommt zu dem Schluss, dass die zornigen Männer nun ausgerechnet denen nachlaufen würden, von denen sie „in die Pfanne gehauen“ würden. Dazu passt die Begeisterung für den Superreichen Trump, der vom Erbe seines Vaters profitierte. Er will alle Unternehmenssteuern abschaffen und den Steuersatz für Einkommen über einer Million Dollar auf 15 Prozent senken.

Reduzierung des Bierkonsums

„Zornigsein ist erlaubt“, meint Frank Richter, der Männerversteher aus Sachsen. Fragt sich nur, wem damit geholfen ist, wenn dieser Zorn womöglich zwar berechtigt, trotzdem aber fehlgeleitet ist. Wenn nicht der Vorteil einer sozial gleicheren Gesellschaft für alle gesehen, sondern allein der eigenen Angst nachgegeben wird. Einer Angst, die mit wirtschaftlicher Ungleichheit zu tun hat, nicht aber mit der Gleichstellung von Frauen oder Minderheiten. Ohnehin führt politisches Verständnis vielleicht ins Leere. In den USA wird das „Grumpy Old Man“-Syndrom, also die Griesgrämigkeit älterer Männer, mittlerweile auch mit einem sinkenden Testosteronspiegel im Alter in Verbindung gebracht. Weniger Testosteron führe zu Gereiztheit, meinen Experten. Schon werden Ärzte zitiert, die zu einer Reduzierung des Bierkonsums raten, weil darin das weibliche Hormon Östrogen enthalten sei.

„Es muss furchtbar sein, Donald Trump zu sein“, schreibt der Wissenschaftsjournalist Jeffrey Kluger im Magazin „Time“. Damit meint er nicht dessen bizarre Frisur, sondern Trumps unstillbaren Hunger danach, immer der Größte, Lauteste und Auffälligste zu sein. Kluger hält Trump für einen kindlichen Narzissten, der ständige Bestätigung durch andere brauche. Wirklich witzig sei die Trump- Show deshalb nicht. Eher sei er jemand, der Mitleid verdiene.
So gesehen wird ausgerechnet der als Erlöser Gefeierte zum Problemfall. Vielleicht sollte in Gleichstellungsdebatten tatsächlich mehr über den „Stino“ geredet werden, den stinknormalen, heterosexuellen, weißen Mann. Damit man ihn von Erwartungen und Ansprüchen befreit, die aus der Zeit gefallen sind. Zeit für eine männliche Emanzipation also.

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