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Politik: Mailänder Nutella-Skandal

Rom - Für Silvio Berlusconi steht fest: Italiens Justiz ist fest in der Hand der Linken. „Rote Roben“ eben.

Rom - Für Silvio Berlusconi steht fest: Italiens Justiz ist fest in der Hand der Linken. „Rote Roben“ eben. Ausgerechnet die Mailänder Staatsanwaltschaft, die Berlusconi am wenigsten mag, bemüht sich nun, das Gegenteil zu beweisen – indem sie gegen linke Landtagsabgeordnete zu Felde zieht, die sich an Steuergeldern bereichert haben sollen. Spesenerstattung für amtlich ungerechtfertigte Übernachtungen in teuren Hotels, große Abendessen auf Kosten der Steuerzahler, Spitzensekt, Hummer, Luxus-Füllfederhalter und dergleichen stehen zur Verhandlung. Sogar der Kauf eines Glases Nutella für 2,70 Euro wird einem Abgeordneten zur Last gelegt.

Das wäre kein großer Skandal, wenn nicht die nationalen und die regionalen Parlamentswahlen vor der Tür stünden. So aber stecken Berlusconis Leute ihre Finger ganz tief ins Nutella-Glas und reiben alles den Sozialdemokraten unter die Nase. Deren Vorsprung schmilzt unaufhaltsam dahin – und was in Mailand und Umgebung geschieht, wirkt sich in ganz Italien aus. Die Lombardei, die bevölkerungsstärkste, modernste und reichste Region Italiens ist ein „Swing State“ wie Ohio in den USA. Gewinnen die Sozialdemokraten hier, ist ihnen landesweit die Regierung sicher; für Berlusconi wiederum reicht es, wenn er allein die Lombardei gewinnt, denn dann sieht national alles wieder anders aus.

Die Staatsanwälte lassen sich Parteilichkeit nicht vorwerfen, schließlich haben sie auch schon gegen die rechte Hälfte des lombardischen Landtags wegen der gleichen Delikte ermittelt. Aber das war lange vor den Wahlen. So ist bei Medien und Wählern bereits in Vergessenheit geraten, warum die Lombardei überhaupt einen neuen Landtag wählen muss: Weil die bisherige, von Berlusconis Partei geführte Regierungsmehrheit wegen eigener, weit umfangreicherer Selbstbereicherungs- und Korruptionsdelikte vorzeitig abtreten musste. Der im Oktober unter der Last der Vorwürfe zum Aufgeben gezwungene Gouverneur Roberto Formigoni kann es sich heute leisten, zu fordern, „dass Personen, gegen die ermittelt wird, nicht zur Wahl antreten“. Dass er sich selbst einen Listenplatz fürs Parlament in Rom gesichert hat, übersieht er dabei geflissentlich.Paul Kreiner

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