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Die Mainzer Synagoge.

© dpa

Mainz: Jüdisches Leben kehrt zurück

Einst galt Mainz als "rheinisches Jerusalem". 72 Jahre nach dem NS-Pogrom hat es jetzt wieder eine Synagoge.

„Willkommen mitten unter uns!“ So steht es auf den Plakaten, von denen rund tausend in den Mainzer Schulen, Banken und Bürgerhäusern hängen. Mainz freut sich auf die neue Synagoge. Knapp zwei Jahre nach der Grundsteinlegung sind die Bauarbeiten beendet, am heutigen Freitag wird die Synagoge eingeweiht. Neben Bundespräsident Christian Wulff und Ministerpräsident Kurt Beck haben sich Juden aus aller Welt für diese besondere Stunde angesagt. Es sind 47 Überlebende, die an diesem Tag in ihrer Geburtsstadt erwartet werden, viele sind schon ein paar Tage früher in die alte Heimat gekommen.

Die neue Synagoge steht in der Innenstadt, an derselben Stelle, an der am 9. November 1938 die alte Hauptsynagoge in Flammen aufging. Der Kölner Architekt Manuel Herz, Schüler von Daniel Libeskind, hat den spektakulären Bau errichtet, in dem 400 Menschen Platz finden. Die gezackte Form des Gotteshauses stellt abstrahiert fünf Buchstaben dar, das hebräische Wort für Segensspruch: „Keduscha“. Das hornförmige Synagogendach weist nach Jerusalem.

Rund zehn Millionen Euro wurden investiert, die Kosten wurden von der Stadt Mainz und dem Land Rheinland-Pfalz gemeinsam aufgebracht. Für die Ausstattung und künstlerische Ausgestaltung des Gebäudekomplexes kommt die jüdische Gemeinde mit 1,15 Millionen Euro auf. Der Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel wertet den Neubau der Synagoge als ein Signal, wie es positiver kaum sein könnte. Am Tag der Einweihung soll das Goldene Buch der Stadt Mainz zur Synagoge getragen werden – „dorthin, wo die Mainzer in der Pogromnacht die Brandfackeln warfen“, sagt Beutel. Ein Zeichen soll auch sein, dass die Anlieger der Synagoge die traditionellen Begrüßungsgaben Brot und Salz überbringen werden.

Mainz war über viele Jahrhunderte eines der bedeutendsten Zentren des jüdischen Lebens und der jüdischen Kultur. Hier findet sich der älteste jüdische Grabstein in Europa aus dem Jahr 1049. Um die erste Jahrtausendwende wirkte Gerschom bar Jehuda in Magenza – der hebräische Name für Mainz. Er war einer der einflussreichsten Gelehrten seiner Zeit. Die Mainzer Rabbinerschule war weltberühmt. Zusammen mit Speyer und Worms bildeten die Mainzer Juden 1220 den Bund der SchUM-Städte. SchUM wird aus den Anfangsbuchstaben ihrer hebräischen Namen gebildet. Ihre Beschlüsse waren maßgebend für das deutsche Judentum. Die drei Städte galten als Geburtsstätte der aschkenasischen religiösen Kultur – das „rheinische Jerusalem“. Ende des 19. Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde in Mainz 3000 Mitglieder, das jüdische Vereinswesen blühte. Rabbiner wie Siegmund Salfeld und Sali Levi prägten die Kultur der Stadt.

Lange hatte niemand den Neuanfang jüdischen Gemeindelebens in Mainz für möglich gehalten. Nur wenige der Mainzer Juden überlebten den Holocaust, bei Kriegsende lebten gerade noch 60 Juden in der Stadt. Nach dem Zuzug jüdischer Einwanderer vor allem aus Osteuropa zählt die jüdische Gemeinde wieder rund 1000 Mitglieder. Die Begeisterung darüber, dass mit der Synagoge die Juden auch wieder ins Stadtbild zurückkehren, ist groß. Jahrzehntelang hatte die Gemeinde nur einen kleinen Gebetsraum in einem Wohnhaus. Doch nicht alle Mainzer finden das imposante Bauwerk schön: „Man hätte vielleicht doch die alte Synagoge nachbauen sollen“, sagt ein 64-jähriger Mainzer vorsichtig. „Die war sehr schön.“

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