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Auf Protest folgt Haft: Eine Anhängerin der Oppositionsbewegung „Bersih“ nach ihrer Festnahme in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur.

© REUTERS

Malaysia: Die förmliche Demokratie

Malaysias Regierung wird nervös: Eine neue Protestwelle könnte sie von der Macht fegen – die sie sich seit 54 Jahren sichert.

Malaysias Regierung hat am Sonntag das gewalttätige Vorgehen gegen Demonstranten verteidigt, die für demokratischere Zustände im Lande auf die Straße gegangen waren. Die Kritiker hätten nur Chaos im Sinn und wollten Malaysias Ansehen schädigen, hieß es.

Zu dem Protest hatte die Bersih-Bewegung aufgerufen, ein Zusammenschluss aus mehr als 60 Nichtregierungsorganisationen und drei großen Oppositionsparteien. „Bersih“ bedeutet auf Malaiisch „sauber“. Bersih forderte eine Überprüfung der Wahlregister. Rund 2,5 Millionen junge Malaysier würden dort nicht aufgeführt, stattdessen seien dort etliche Verstorbene zu finden. Die Finger von Wählern sollen nach ihrer Stimmabgabe mit nicht abwaschbarer Farbe markiert werden, um mehrfache Stimmabgaben zu verhindern. Die Briefwahl soll abgeschafft werden, da die Ergebnisse daraus besonders einfach zu fälschen seien. Vor allem verlangt die Gruppe, dass allen Kandidaten politischer Parteien derselbe Zugang zu den Medien des Landes gewährt werden soll.

Die Regierung von Premier Najib lehnt die Forderungen ab. Der Premier erklärte, der Protest repräsentiere nur eine Minderheit in Malaysia. „Wenn es Leute gibt, die eine illegale Demonstration abhalten möchten, dann gibt es noch viel mehr, die gegen diesen Plan sind.“ Der Protest sei lediglich ein lautstarker Werbeversuch der Opposition vor den Wahlen, die bereits Anfang 2012 abgehalten werden könnten.

Erst kürzlich haben Mitglieder der Regierungspartei angesichts des drohenden Protests angedeutet, die Polizei nehme an Schießübungen der Armee teil. Auch wurden in den vergangenen Wochen mehrere hundert Aktivisten festgenommen. Eine Gruppe, die für den Protest geworben hat, soll wegen des Versuchs, „Krieg gegen den König zu führen“, angeklagt werden. Ihr Vergehen: Bei ihnen wurden Che-Guevara-T-Shirts gefunden.

Die offensichtliche Nervosität der Regierung hat einen Grund: 2007 hat Bersih schon einmal einen Großprotest in Kuala Lumpur abgehalten, dem sich damals 40 000 Menschen anschlossen. Auch damals hatten die Behörden die Demonstration gewaltsam niedergeschlagen. Im darauffolgenden Jahr verlor die regierende Barisan-Nasional-Koalition bei Wahlen ihre Zweidrittel-Mehrheit. Sie erhielt zwar immer noch 140 von den damals 222 vergebenen Sitzen, das Oppositionsbündnis gewann 82 Sitze. Prozentual war der Vorsprung jedoch marginal. Ein transparenteres Wahlsystem könnte, sagen Kritiker der Regierung, auch diesen Vorsprung schnell zunichte machen.

Malaysia ist eine konstitutionelle Monarchie und formell ein demokratischer Staat. Seit der Unabhängigkeit hat jedoch im Wesentlichen dieselbe Clique aus Geschäftsleuten und Politikern das Sagen. Die Presse ist fest in der Hand der Regierung. Eine unabhängige, allgemein zugängliche Berichterstattung findet sich nur auf Internetblogs, erreicht aber so nur einen kleinen Teil der Menschen auf dem Land, den Großteil der Wähler der Regierungskoalition. Die Opposition verfügt über eine Reihe eigener Publikationen, die jedoch stark von der Regierung kontrolliert werden und nur unter Parteimitgliedern vertrieben werden dürfen.

Oppositionsführer Anwar Ibrahim steht derzeit vor Gericht, weil er Sex mit einem Angestellten gehabt haben soll, was im prüden Malaysia ein Verbrechen ist. Malaysias Führung hat in der Vergangenheit angesichts einer drohenden Niederlage jedoch auch schon zu härteren Mitteln gegriffen als zu Schmutzkampagnen. Nach einem Beinahe-Sieg der Opposition im Jahr 1969 kam es zu antichinesischen Pogromen, bei denen vermutlich tausende von Menschen ermordet wurden. Kritiker behaupten, dass die Regierung damals zu den Unruhen angestiftet habe. Fest steht, dass sie zu wenig unternommen hat, um die Unruhen zu beenden. Die Regierung verhängte nach den Ausschreitungen den Notstand und regierte zwei Jahre lang diktatorisch.

Seit Beginn der 70er Jahre verfolgte die Barisan-Nasional-Koalition – sie regiert seit der Unabhängigkeit Malaysias – eine ethnisch ausgerichtete (Kritiker sagen: rassistische) Politik, die Malaien, heute etwa die Hälfte der Bevölkerung, gegenüber anderen Ethnien bevorzugt. Erst vergangenes Jahr hat Premierminister Najib damit gedroht, es könne in Malaysia zu „ethnischen Säuberungen wie in Ruanda oder Bosnien“ kommen, sollte die Opposition nicht aufhören, den Sonderstatus der Malaien zu hinterfragen.

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