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Zerstörungswerk. Islamisten zerstören mit Spitzhacken und Schaufeln muslimische Heiligtümer in der Wüstenstadt Timbuktu. Das Foto stammt aus einer Videoaufnahme eines Zeugen.

© AFP

Mali: Von Krise zu Krise

Islamisten zerstören muslimische Heiligtümer im nordmalischen Timbuktu. Nun beraten die Nachbarländer über den Einsatz einer Friedenstruppe.

Nicht nur die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat die Zerstörung islamischer Heiligtümer in der nordmalischen Stadt Timbuktu missbilligt. Aus aller Welt wird an die islamistischen Kämpfer in Mali appelliert, das Weltkulturerbe in der Wüstenstadt am Niger zu erhalten. Doch die Zerstörungswut der Rebellen ist ungebremst. Am Montag zerstörten sie Augenzeugen zufolge vor den Augen fassungsloser Bewohner den Eingang der Sidi-Yahya-Moschee aus dem 15. Jahrhundert.

Der Imam der Sidi-Yahya-Moschee, Aphadi Wangara, sagte der britischen Tageszeitung „Guardian“: „Ich bevorzuge es, zu schweigen. Was in meinem Herzen ist, kann ich nicht sagen.“ Nach dem Volksglauben der Einwohner Timbuktus darf die Tür der Moschee bis zum Weltende nicht geöffnet werden. Eine Augenzeugin sagte dem „Guardian“, sie habe die Islamisten gefragt, warum sie den Eingang der Moschee zerstören. Sie hätten geantwortet, sie seien beschuldigt worden, mit Spitzhacken und Schaufeln bereits 16 Mausoleen zerstört zu haben, was sie nicht getan hätten. „Sie wollten zeigen, wozu sie wirklich fähig sind“, sagte die Frau, die nur ihren Vornamen Haidrata angab.

Am Samstag soll ein Krisengipfel der westafrikanischen Regionalorganisation Ecowas über die Lage in Mali beraten. Ecowas hat es dabei mit einer doppelten Krise zu tun. Am 22. März hatte eine Gruppe von Militärs unter der Führung von Amadou Haya Sanogo den Präsidenten einen Monat vor der geplanten Wahl gestürzt. Daraufhin nutzte die Tuareg-Rebellenorganisation MNLA die Konfusion in der Hauptstadt Bamako dazu, den gesamten Norden des Landes zu erobern. Die säkulare MNLA, die am 6. April gleich den unabhängigen Tuareg-Staat Azawad ausrief, hatte sich zur Eroberung der wichtigsten nordmalischen Städte mit der islamistischen Ansar Dine (Verteidiger des Glaubens) zusammengeschlossen. Ansar Dine wird von Al Qaida im islamischen Maghreb (Aqim) unterstützt. Schon Tage später warf die Gruppe die MNLA aus den Schlüsselstädten Timbuktu und Gao wieder hinaus, denn Ansar Dine lehnt die Unabhängigkeit Nordmalis ab und strebt die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, in ganz Mali an.

Die Versuche von Ecowas, zumindest den Militärcoup in Mali abzuwehren und das Land wieder auf einen verfassungsmäßigen Weg zu bringen, schienen zunächst erfolgreich zu sein. Am 6. April wurde der Parlamentspräsident und Präsidentschaftskandidat Dioncounda Traoré als Übergangspräsident ins Amt eingeführt. Innerhalb von 40 Tagen sollte Traoré Wahlen organisieren und die Krise in den Griff bekommen. Allerdings verschlechterte sich die Sicherheitslage nicht nur im Norden Malis, sondern auch in Bamako dramatisch. Bei einer gewalttätigen Demonstration wurde Traoré leicht verletzt und hält sich seither zur Behandlung in Paris auf. Zugleich zeigt sich immer deutlicher, dass der Putschist Sanogo, der sich zunächst bereit erklärt hatte, sich im Falle einer Amnestie wieder in die Kasernen zurückzuziehen, keineswegs vorhat, die Macht wieder abzugeben.

Nun berät Ecowas darüber, ob eine Friedenstruppe im Norden Malis stationiert werden soll. Der UN-Sicherheitsrat hat im Falle einer solchen Entscheidung Unterstützung in Aussicht gestellt. Gleichzeitig verhandelt jedoch der Präsident von Burkina Faso, Blaise Compaoré, mit den Tuareg-Rebellen von MNLA und Ansar Dine. Compaoré hat wochenlang getrennte Gespräche mit den beiden Gruppierungen geführt. Dabei zeichnete sich offenbar ab, dass die MNLA womöglich ihren Traum von der Unabhängigkeit aufgeben könnte, wenn sie mehr Autonomie in Nordmali erhält, schreibt David Zounmenou vom südafrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS). Allerdings ist Ansar Dine wohl kaum bereit, die Verhandlungsvoraussetzung von Ecowas, nämlich die territoriale Einheit des säkularen Staates Mali, zu akzeptieren.

Derweil wird die humanitäre Lage auch in Malis Nachbarstaaten immer prekärer. Schon seit dem vergangenen Herbst haben UN und Hilfsorganisationen vor einer drohenden Hungersnot in der Sahlezone gewarnt. Mehrere Ernten sind wegen Dürre, Überflutungen und aktuell wegen einer sich anbahnenden Heuschreckenplage ausgefallen oder drohen auszubleiben. Mehr als 300 000 Malier sind aus dem Norden des Landes in den Süden oder in die Nachbarstaaten Mauretanien, Niger, Tschad geflüchtet. In Nordmali selbst führen Ansar Dine und die ebenfalls mit Al Qaida verbündeten Mujao, eine Splittergruppe von Aqim, ein strenges Regime. Der UN-Nachrichtenagentur Irin sagte ein Ansar-Dine-Sprecher in Timbuktu: „Die Scharia muss eingehalten werden, ob die Leute das wollen oder nicht. Wir werden das durchsetzen.“ Sie hätten nicht vor, „jemanden nach seiner Meinung zu fragen“. mit AFP

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