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Politik: Manche mögen’s demokratisch Ernennen oder wählen: Labour streitet um Reform des Oberhauses

Lord McNally brachte die Sache auf den Punkt: Das britische Oberhaus habe die Chance, „Geschichte oder sich zum Narren zu machen“, meinte das liberale Oberhausmitglied. Nach fast sechs Jahren der Expertenkommissionen, der Experimente und des zögernden Taktierens stand jetzt der Kern von Labours 1997 mit großem Eifer angestrebter Verfassungsreform auf der Tagesordnung: die „Demokratisierung des Oberhauses".

Lord McNally brachte die Sache auf den Punkt: Das britische Oberhaus habe die Chance, „Geschichte oder sich zum Narren zu machen“, meinte das liberale Oberhausmitglied. Nach fast sechs Jahren der Expertenkommissionen, der Experimente und des zögernden Taktierens stand jetzt der Kern von Labours 1997 mit großem Eifer angestrebter Verfassungsreform auf der Tagesordnung: die „Demokratisierung des Oberhauses". Aber das stellte sich, wie schon beim letzten Großversuch nach dem Ersten Weltkrieg, als fast unmöglich heraus. Als sich am Dienstagabend die gewählten Mitglieder des Unterhauses und – in separater Debatte – die ernannten Mitglieder des Oberhauses einschließlich der hundert noch verbliebenen „Erblords“ in den gewohnten schrulligen Prozeduren an die Abstimmung machten, lehnten sie alle Reformvorschläge ab.

Schwierig war die Sache, weil Premier Tony Blair, bei seinem Amtsantritt noch ein Verfechter der „Modernisierung“, kalte Füße bekam. Seit er regiert, sind ihm britische Traditionseinrichtungen ans Herz gewachsen. In einer überraschenden Kehrtwende empfahl er seinen Parteifreunden, in der freien Abstimmung dafür zu votieren, dass alle Lords künftig ernannt werden. Eine „bizarre“ Empfehlung, fand der Labour-Politiker Ben Bradshaw. „Das würde die schlimmsten Befürchtungen der Bevölkerung bezüglich des politischen Systems bestätigen". Unterhausführer Robin Cook, der frühere Außenminister, soll sogar mit Rücktritt gedroht haben. Ein Drittel des Kabinetts erklärte sich gegen den Premier – darunter auch Erziehungsminister Charles Clarke, Blairs derzeit treuester Gefährte. Sie wollten die andere Lösung: Ein gewähltes Oberhaus, oder wenigstens eine Mischung aus Gewählten und Ernannten.

Manche witterten wegen der Revolte schon den Anfang vom Ende Blairs. Aber es ging weniger um einen Kampf der Hinterbänkler gegen ihren Parteichef als um eine Revolte moderner Demokraten gegen eine zunehmend mächtige Exekutive. Blair und die Anhänger einer ernannten Kammer wollten erhalten, was das Oberhaus derzeit ist: Eine Versammlung erfahrener Köpfe, unabhängig vom Parteienstreit. Eine gewählte Kammer, so Blair, würde als Rivale die demokratische Autorität des Unterhauses untergraben und wäre ein „riesiger Fehler“.

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