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Schwedens Staatsepidemiologe Anders Tegnell am Mittwoch in Stockholm.

© Andres Wiklund/TT News Agency/Reuters

„Manchmal fühle ich mich wie ein Sandsack“: Anders Tegnell – was treibt den Chefepidemiologen in Schweden an?

Kein harter Lockdown, aber hohe Todeszahlen – für die einen Held, für die anderen Hassfigur: Das ist der Mann hinter Schwedens umstrittenem Corona-Kurs.

Er ist in der Coronavirus-Krise das Gesicht Schwedens: Anders Tegnell. Nahezu täglich informiert der 64-Jährige über den Stand der Pandemie im Land. Punkt 14 Uhr, live übertragen. Fast lässig steht er dann im TV-Studio, zu Beginn der Krise zunächst noch meist im schlabbrigen Rollkragenpulli, heute oft im verwaschenen Poloshirt, gern die Hände in den Hosentaschen, mit heruntergezogenen Mundwinkeln.

Tegnell ist Staatsepidemiologe, wie es in Schweden heißt. Seit 2013 ist er oberster Seuchenbekämpfer der staatlichen Gesundheitsbehörde und berät die Regierung.

Tegnells Strategie, im Ausland gern als „schwedischer Sonderweg“ bezeichnet, hat das Land international in die Schlagzeilen gebracht. Seit mehr als drei Monaten wird weltweit genau verfolgt, wie sich die Pandemie in dem skandinavischen Land mit seinen rund 10,2 Millionen Einwohnern entwickelt.

Für Tegnells Kritiker ist die Sache längst klar: Sein Weg, in Schweden anders als in anderen Ländern nicht auf einen kompletten Lockdown zu setzen, sei ein riskantes Experiment mit Menschenleben. Als Beleg dienen die im Vergleich zu den Nachbarstaaten Dänemark, Norwegen und Finnland hohen Todeszahlen. Bisher zählt die Statistik fast 4660 Covid-19-Tote in Schweden.

Es sind diese wenigen Momente bei den Pressekonferenzen, in denen der Arzt kurz ungehalten und genervt zu werden scheint, wenn ihm unterstellt wird, eine hohe Todesrate schlicht einzukalkulieren. Schon vor Wochen hat Tegnell zugegeben, dass seine Behörde von den hohen Zahlen überrascht worden sei. „Wir sind in einer schrecklichen Situation gelandet“, sagte er unlängst und bezog sich dabei vor allem auf die hohe Zahl der Covid-19-Toten unter Pflegebedürftigen.

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Einer aktuellen Studie zufolge, die im Social Science Research Network in der letzten Mai-Woche veröffentlicht wurde, machen die Pflegebedürftigen – Stand Mitte Mai – mehr als 70 Prozent aller schwedischen Covid-19-Toten aus. In Deutschland liegt der Anteil dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge bei 38 Prozent (Stand 28. Mai).

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Allerdings könnten die Zahlen auch hierzulande deutlich höher sein, denn für knapp 30 Prozent aller Covid-19-Toten gibt es keine Angaben zu einer möglichen Pflegebedürftigkeit oder Heimunterbringung. Das RKI fasst zudem Tote in Pflegeeinrichtungen, Obdachlosenunterkünften, Asylheimen und sonstigen Massenunterkünften wie Gefängnissen zusammen.

„Wir haben die vielen Toten nicht in Kauf gekommen“, sagt Tegnell

Tegnell sagte zu den hohen schwedischen Zahlen schon vor einiger Zeit: „Wir sind sehr besorgt über die Zahl der Todesopfer. Wir haben sie nicht in Kauf gekommen.“ Niemand habe zunächst damit gerechnet, dass das Virus derart in Heimen wüten könnte und ältere Menschen „so extrem anfällig“ sein würden. In dieser Woche gab er außerdem zu, man habe gerade in den Betreuungsanstalten Fehler gemacht, „es gibt ganz klar Verbesserungspotenzial“.

Mit Blick auf die Gesamtstrategie liege der richtige Weg nach heutigem Wissensstand zwischen dem schwedischen und dem, den der Rest der Welt eingeschlagen habe, sagte Tegnell. Welche Vorkehrungen in anderen Ländern den größten Effekt gegen die Coronavirus-Pandemie gezeigt hätten, könne man jedoch nur schwer sagen, da diese Staaten viele Maßnahmen gleichzeitig ergriffen hätten. Aber der schwedische Ansatz, der sei im Grundsatz richtig, davon sei er nach wie vor überzeugt.

Für manche Schweden ist Tegnell die Ikone der Freiheit

Für nicht wenige Schweden ist Tegnell so etwas wie die Ikone der Freiheit: Es gibt Fangruppen bei Facebook mit zehntausenden Mitgliedern, T-Shirts mit seiner Silhouette werden verkauft und ein Mann ließ sich gar das Konterfei Tegnells auf den Oberarm tätowieren.

Das brachte sogar Tegnell vor laufender Kamera aus der Fassung. Als er gefragt wurde, was er davon halte, guckte er ungläubig, beinahe verlegen. Lachte dann kurz und sagte: „Dafür muss er die Verantwortung selbst übernehmen. Aber die entstandene Hysterie liegt irgendwo zwischen bizarr und komisch.“ Dabei vergisst Tegnell auch nicht, immer wieder zu betonen, dass er die schwedische Strategie in der Pandemie nicht allein bestimme, sondern in einem Kollegium mit einem guten Dutzend weiterer Verantwortlicher.

Ein Schwede ließ sich Anders Tegnell auf den Arm tätowieren.
Ein Schwede ließ sich Anders Tegnell auf den Arm tätowieren.

© imago images/TT/Lotte Fernvall/Aftonbladet

Katarina Barrling, Politikwissenschaftlerin an der Universität Uppsala, fasste die Situation gegenüber dem „Focus“ so zusammen: „Es ist eine Art Kult um ihn entstanden.“ Tegnell habe ein bescheidenes Auftreten, sei aber gleichzeitig selbstsicher. „Ich würde sagen, er entspricht ziemlich genau dem Klischee eines Schweden.“

Das Boulevardblatt „Expressen“ geht sogar noch weiter: Tegnell sei „eine Verkörperung der schwedischen Volksseele: effektiv, etwas langweilig, unglamourös, trocken humorvoll, aber niemals ohne eine Prise nordischer Melancholie“.

Tegnell spricht von Morddrohungen gegen sich

Das ist die eine Seite der enormen Popularität Tegnells. Auf der anderen Seite wird ihm vorgeworfen, ausweichend zu sein, seine Behörde beantworte wichtige Fragen nicht, Tegnell selbst ignoriere Fakten, interpretiere Zahlen so, wie es ihm gerade passe. Bisweilen schlägt ihm eigenen Aussagen zufolge blanker Hass entgegen, bis hin zu Morddrohungen. Ähnliches berichtete auch der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité.

Nachdem seine Äußerungen am Mittwoch, Schweden habe auch Fehler gemacht, von vielen internationalen Medien als Abkehr von der bisherigen Strategie interpretiert worden waren, sagte er der Zeitung „Dagens Nyheter“ (DN) auf die Frage, ob die internationale Berichterstattung einen Anflug von Schadenfreude habe: „Ja, das ist möglich. Es gab eine gewisse Ambivalenz beim schwedischen Weg, mit der Krise umzugehen.“ Manchmal sei die Strategie als spannend betrachtet worden, manchmal werde sie als Bedrohung gesehen, weil damit indirekt die eigene als gescheitert erklärt werde.

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Nahezu täglich pendelt Tegnell aus dem 175 Kilometer und eineinhalb Stunden per Bahn entfernten Linköping nach Solna bei Stockholm, wo seine Behörde ihren Sitz hat – und führt dabei durchaus auch mal auf dem Bahnsteig per Laptop ein Interview, zum Beispiel mit dem in USA populären Trevor Naoh („Daily Show“).

In Linköping lebt Tegnell zusammen mit seiner Frau in seinem Elternhaus und züchtet, wie er sagt, zur Entspannung gern im Garten Tomaten. Das Ehepaar hat drei Töchter; zwei von ihnen traten in den Fußstapfen des Vaters und sind Ärztinnen.

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Tegnell ist seit 1985 Arzt und spezialisiert auf Infektionskrankheiten. Seine gesamte Karriere über arbeitete er in unterschiedlichen Einrichtungen an der Bekämpfung von Epidemien. Ein Projekt hat Tegnell dabei offenbar besonders geprägt. 1995 flog er mit zwei weiteren jungen Kollegen nach Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, um im Kampf gegen das Ebola-Virus zu helfen, an dem in dem Land viele Menschen starben.

Tegnell macht in Afrika Erfahrungen im Kampf gegen Ebola

Wie Tegnell dem schwedischen Boulevardblatt „Expressen“ sagte, ließen die schwedischen Ärzte als erste Maßnahme 200 Fahrräder aus Stockholm einfliegen. Damit schickten sie einheimische Medizinstudenten über die Dörfer, um die Bewohner über die Krankheit aufzuklären und ihnen Maßnahmen beizubringen, mit denen sie sich selbst schützen könnten. Nach seiner Erfahrung sei es wichtig, Menschen zu überzeugen und handlungsfähig zu machen, erklärte Tegnell mehrfach in Interviews.

Doch dann verbreitete sich Ebola nach einer Operation in einer Klinik. Die zairische Regierung verbot Operationen. Tegnell sagt, viele Menschen seien damals unnötig gestorben. Nicht an Ebola, sondern anderen Leiden. Eine OP hätte sie vermutlich oft retten können. Daraus scheint auch Tegnells Ansatz in der Coronavirus-Krise zu resultieren: Es gehe darum, verschiedene medizinische und gesellschaftliche Risiken gegeneinander abzuwägen.

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Der Politikwissenschaftler Roland Czada von der Universität Osnabrück hat den schwedischen Kurs in der Pandemie intensiv verfolgt. „Ich denke Tegnell kann man ohne seinen Vorvorgänger im Amt, Johan Giesecke, nicht verstehen. Beide waren für die Weltgesundheitsorganisation WHO tätig. Beide haben viel zusammen publiziert. Und beide sind mehr an den Ausbreitungsbedingungen von Viren interessiert als daran, wie ein Virus unter dem Mikroskop aussieht oder sich in einer Petrischale vermehrt“, sagt der Professor vom Zentrum für Demokratie und Friedensforschung dem Tagesspiegel.

Was macht Anders in Schweden anders?

„Während Virologen gebannt auf das Virus schauen, besteht Epidemiologie zu weiten Teilen aus Sozialwissenschaft: Bevölkerungsstruktur, Altersaufbau, Kultur und Lebensweise sowie empirische Fallstudien stehen im Vordergrund.“ Tegnell und Giesecke, der unter anderem Deutschland scharf für den Lockdown kritisiert hatte, pflegten einen ganzheitlichen Ansatz, „der die Vor- und Nachteile von Maßnahmen gegeneinander abwiegt“. Tegnell habe durch seine Erfahrungen mit Ebola in Laos und Zaire mehr praktische Erfahrung als Virologen, die sich überwiegend im Labor aufhalten.

Aber was genau macht Schweden anders? Einerseits sagt Tegnell immer wieder, Schweden habe eigentlich genau das gleiche Ziel wie alle anderen. Es gehe darum, die Infektionskurve flach zu halten, um das Gesundheitssystem und vor allem die Intensivstationen nicht zu überlasten. Aber in Schweden habe man akzeptiert, dass es nicht die Lösung ist, alles dicht zu machen. „Wir schließen so viel wie möglich auf freiwilliger Basis.“

Man brauche nachhaltige Maßnahmen und dürfe nicht vergessen, dass strenge Verbote auch gesundheitliche Folgen haben. Isolation und Quarantäne könnten Langzeitschäden an Körper und Geist auslösen. Zudem müsse man auch auf die Wirtschaft schauen: „Wir dürfen sie nicht zugrunde fahren.“ Die schwedische Wirtschaft trifft die Krise allerdings auch mit voller Wucht.

Demonstranten fordern Ende Mai den Rücktritt des Epidemiologen.
Demonstranten fordern Ende Mai den Rücktritt des Epidemiologen.

© imago images/TT/Henrik Montgomery

Gebetsmühlenartig wiederholt Tegnell so bei seinen Pressekonferenzen die Richtlinien seiner Behörde für die Bürger. Seit Beginn der Pandemie wurde auf deren Vernunft gesetzt und an ihr Verantwortungsbewusstsein appelliert, soziale Kontakte zu minimieren und Abstand zu halten. Menschen über 70 sollen zu Hause bleiben. Kindergärten, Schulen für Kinder unter 16 Jahre und Geschäfte sind geöffnet. Dies gilt unter Auflagen auch für die Gastronomie.

Andere Forscher forderten früh radikalen Kurswechsel in Schweden

Versammlungen sind bis zu 50 Personen erlaubt. Die Menschen sollen im Homeoffice arbeiten und bei Symptomen auf jeden Fall zu Hause bleiben. Strikt verboten sind dagegen seit Anfang April Besuche in Alten- und Pflegeheimen.

Dieser Kurs ist bei anderen Wissenschaftlern im Land hoch umstritten. Eine größere Gruppe forderte schon im März einen radikalen Kurswechsel. Angesichts der hohen Todeszahlen sagte auch seine Vorgängerin Annika Linde, die Tegnells Kurs zuvor unterstützt hatte, Schweden hätte doch einen anderen Weg einschlagen sollen.

Mitte April wandten sich 22 Wissenschaftler in einem Debattenbeitrag an die Öffentlichkeit und forderten die rot-grüne Minderheitsregierung des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Stefan Löfven auf, Tegnell abzusetzen. Sie warfen Tegnells Behörde vor, sich gefährlich passiv zu verhalten, weil sie die Rolle prä- und asymptomatischer Virusträger unterschätze. Außerdem sei es fatal anzunehmen, dass an einer sukzessiven Ansteckung weiter Teile der Bevölkerung kein Weg vorbeiführe.

Die Gesundheitsbehörde dementiert zwar stets, dass dies ein wichtiger Baustein der Strategie sei, anderseits spricht Tegnell immer wieder von genau einer solchen Herdenimmunität. Sei diese erreicht, müsse Schweden keine zweite Welle fürchten. Und das, obwohl wissenschaftlich nach wie vor umstritten ist, ob eine überstandene Infektion tatsächlich zu einer Immunität führt.

Erste Ergebnisse einer Studie in Stockholm zeigten, dass nur 7,3 Prozent der Einwohner Antikörper hatten. Tegnell sah das aufgrund mathematischer Hochrechnungen anders: „Es sind jetzt keine sieben Prozent. Wir liegen irgendwo bei 20 Prozent plus in Stockholm.“

Schulen hielt Tegnell im Gegensatz zu anderen Forschern nie für einen Treiber der Pandemie. Irritiert hat viele Kritiker auch, dass die Gesundheitsbehörde sich lange nicht klar zum Sinn von Schutzmasken äußerte – und eine Maskenpflicht wie in anderen Ländern schließlich verwarf.

Manche Lokale ergriffen freiwillig Schutzmaßnahmen.
Manche Lokale ergriffen freiwillig Schutzmaßnahmen.

© Henrik Montgomery/TT News Agency/AFP

Es ist nicht das erste Mal, dass Tegnell im Rampenlicht steht. Während ihm Kritiker heute vorwerfen, zu wenig zu tun, wurde er während der Schweinegrippe im Jahr 2009 dafür kritisiert, es mit den Gegenmaßnahmen übertrieben zu haben. Damals empfahl er, sich gegen die Krankheit impfen zu lassen.

Fünf Millionen Schweden folgten seinem Rat. Bei etwa 0,01 Prozent der Geimpften trat als Nebenwirkung eine Narkolepsie aus, eine Tagesschläfrigkeit. Tegnell blieb auch im Rückblick bei seinem Standpunkt, dass ein Unterlassen der Impfungen Hunderte Menschenleben gekostet hätte.

„Ein Großteil des Wissens liegt in Schweden in den Behörden“

Tegnell selbst ist klar, dass die schwedische Strategie nur in Schweden umzusetzen ist, einem Land, in dem es seit jeher ein größeres Vertrauen in Regierung und Behörden gibt. Dem Magazin „Cicero“ sagte er, Schweden unterscheide sich in einem wichtigen Punkt von vielen anderen Ländern: „Wir haben hier seit Jahrhunderten sehr starke Behörden. Ein Großteil des technischen Wissens liegt in diesen Behörden.“

Schwedens Ministerien dagegen seien klein, unterstützen die Politiker bei ihren Entscheidungen, wobei es nur um die generelle Marschrichtung gehe. „Und die Behörden erarbeiten dann einen Plan, wie man vorgeht.“

„Aus Malmö ist es überall hin nah. Aber nun müssen wir Abstand halten“, steht auf diesem Plakat.
„Aus Malmö ist es überall hin nah. Aber nun müssen wir Abstand halten“, steht auf diesem Plakat.

© Johan Nilsson/TTTT News Agency/AFP

Nachdem Umfragen bisher eine breite Unterstützung der Schweden für Regierung und Gesundheitsbehörde in Kampf gegen das Coronavirus bestätigten, zeigen aktuelle Zahlen nun allerdings, dass das Vertrauen der Schweden deutlich abgenommen hat. Vielleicht eine Momentaufnahme, aber für Schweden eine eher ungewöhnliche.

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Dass in Deutschland besonders intensiv auf den schwedischen Weg geschaut werde, verwundert Politikwissenschaftler Czada nicht. „Schweden gilt in Deutschland immer noch als Ikone des Wohlfahrtsstaates und hat als solcher stets auch polarisiert. Und jetzt kocht das wieder hoch.“ Dass Schweden jetzt am Pranger steht, kann der Wissenschaftler nicht wirklich nachvollziehen. „Die Todeszahlen jetzt zu vergleichen, ergibt wenig Sinn. In einem Jahr werden wir sehr viel mehr wissen“, sagte Czada.

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Die Zahl der Neuinfektionen in Schweden ist allerdings noch immer hoch – und das, obwohl vergleichsweise wenig getestet wird. Insgesamt lässt sich bei den Neuinfektionen seit April kein Rückgang feststellen, im März lagen die Zahlen sogar noch deutlich unter den aktuellen. Bis Samstag gab es fast 44.000 positive Tests.

Tegnell zufolge hat sich der Coronavirus-Schwerpunkt von Stockholm in andere Landesteile verlagert. Demnach wurden viele Neuinfektionen im Westen des Landes bei jungen Menschen registriert. Verlässliche Einschätzungen über das tatsächliche Ausmaß der Pandemie in Schweden, da sind sich viele Forscher einig, lassen sich derzeit nicht treffen.

Bei der Zahl der Covid-19-Toten in Schweden lässt sich inzwischen aber ein deutlicher Rückgang feststellen. Tegnell unterstreicht stets, aus seiner Sicht würden sich die Todeszahlen zu anderen Ländern im Laufe der Pandemie angleichen. „Wir sind noch lange nicht am Ende des Weges angekommen, deshalb wissen wir nicht, wie das Endergebnis aussehen wird“, hat er seinen Kritikern immer entgegengehalten. Aber was machen die heftigen Attacken mit dem Menschen Anders Tegnell? Der Zeitung "DN" sagte er gerade: „Manchmal fühle ich mich wie ein Sandsack. Aber damit kann ich leben.“

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