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Bei der Diagnose übertrieben? Ärzte erhalten für entsprechende Zusammenarbeit mit Krankenkassen Sondervergütungen.

© picture alliance / dpa

Manipulation durch Krankenkassen: Gröhe plant Gesetz gegen Diagnosebetrug

Um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu erhalten, tricksen Krankenkassen und Ärzte bei den Diagnosen. Gesundheitsminister Gröhe will das jetzt gesetzlich verbieten.

Die Koalition will die Manipulation von Krankheitsdiagnosen durch Ärzte und Krankenkassen nun per Gesetz verhindern. Das ist einem Entwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu entnehmen, der dem Tagesspiegel vorliegt. Den Versicherern soll verboten werden, Ärzte beim Abrechnen zu beraten und sie für bestimmte Diagnosen zusätzlich zu honorieren. Und Kassen, die sich entsprechenden Kontrollen verweigern, droht ein „Zwangsgeld“ von bis zu zehn Millionen Euro.

Kassenmanager machte den systematischen Betrug publik

„Zusätzliche Vergütung von Diagnosen in Gesamtverträgen, nachträgliche Diagnoseübermittlung und Kodierberatung sind zu verbieten“, heißt es in dem Papier. Gröhe reagiert damit auf ein Problem, das vom Vorsitzenden der größten Ersatzkasse persönlich publik gemacht worden war. TK-Chef Jens Baas hatte den gesetzlichen Kassen, darunter auch seiner eigenen, vorgeworfen, Patienten auf dem Papier kränker zu machen, als sie tatsächlich sind - um für sie mehr Geld zu erhalten.

Der Mechanismus dabei ist folgender: Die Beitragseinnahmen fließen zunächst komplett in den Gesundheitsfonds. Welche Kasse davon dann wie viel zurückerhält, hängt von der Struktur ihrer Versicherten ab – und zwar nicht nur von deren Alter und Geschlecht, sondern auch von ihrem Gesundheitszustand. Dafür werden einzelne Krankheitsbilder aufgelistet, im Fachjargon nennt sich die darauf beruhende Geldverteilung morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich.

Sondervergütung für willige Mediziner

Um bei der Ausschüttung mehr herauszuholen, wird offenbar zunehmend getrickst. Die Kassen schicken Berater in die Praxen, um den Ärzten zu erklären, welche Diagnosen mehr Geld bringen. Wenn dem Patienten statt einer depressiven Episode beispielsweise eine echte Depression diagnostiziert wird, bringt das dem Versicherer pro Fall 1000 Euro im Jahr. Kommt zur Diabetes noch ein Nierenproblem dazu, gibt es 300 Euro mehr. Und Mediziner, die sich beim sogenannten Kodieren helfen lassen, erhalten Sondervergütungen. Dafür gibt es inzwischen sogar spezielle Verträge.

Diese Praxis verzerrt nicht nur den Wettbewerb der Kassen untereinander, sie gefährdet auch Patienten. Wer unter falscher Diagnose behandelt wird, läuft schließlich Gefahr, falsch therapiert zu werden oder falsche Arznei zu erhalten. „Ein unhaltbarer Zustand“, pflichtet SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach bei. Gröhe hat es deshalb eilig mit der Neuregelung. Zusammen mit dem geplanten Heil- und Hilfsmittelgesetz soll sie den Bundestag schon in der kommenden Woche beschäftigen.

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