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Politik: Mann des Ausgleichs

Erzbischof Robert Zollitsch, Chef der Deutschen Bischofskonferenz, feiert seinen 75. Geburtstag.

Berlin - Als Robert Zollitsch sechs Jahre alt war, musste er mit seinen deutschstämmigen Eltern aus der Heimat in Jugoslawien fliehen, die Familie wurde in ein Internierungslager gebracht, sein älterer Bruder erschossen. Er habe gespürt, was es heißt, „in dieser Einsamkeit und in dieser Härte zu leben“, schreibt der Freiburger auf der Internetseite seines Bistums. Er habe auch erfahren, welche Kraft das Gebet haben kann. Auf diese Erlebnisse führt Zollitsch zurück, dass er ein Mensch des Ausgleichs wurde. Als ihn Papst Johannes Paul II. vor zehn Jahren zum Erzbischof von Freiburg ernannte, wählte er den Spruch „In der Gemeinschaft des Glaubens“ zu seinem Motto. Sich über andere zu erheben, wie es einige seiner Bischofskollegen gerne tun, ist nicht seine Art. Zollitsch möchte die Kirche lieber im kollegialen Konsens gestalten.

Dass seine Haltung gefragt sein würde, war ihm klar, als er im Februar 2008 den Vorsitz der zerklüfteten Deutschen Bischofskonferenz übernahm. Die dort versammelten theologischen Stoßrichtungen, Persönlichkeiten und Temperamente zusammenzuhalten, ist schon in unaufgeregten Zeiten eine Aufgabe – erst recht war es das aber in den vergangenen fünf Jahren, in denen die katholische Kirche von einem Skandal zum nächsten schlingerte: 2008 versetzte eine von Papst Benedikt XVI. eingeführte Karfreitagsfürbitte die jüdische Gemeinschaft in Aufregung, 2009 folgte der Streit um die Piusbrüder, 2010 kamen die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche ans Licht. Kurzzeitig geriet auch Zollitsch unter Verdacht, als langjähriger Personalchef des Freiburger Bistums einen Missbrauchstäter geschont zu haben.

Dass die Bischofskonferenz in diesen Krisenjahren nicht auseinandergebrochen ist, ist maßgeblich Zollitschs Verdienst. Und um verlorenes Vertrauen der Katholiken wiederzugewinnen, hat Zollitsch vor zwei Jahren – allerdings gegen Widerstände in der Bischofskonferenz – einen bundesweiten „Dialogprozess“ ins Leben gerufen, bei dem sich Gemeindemitglieder, Priester und Bischöfe gemeinsam Gedanken machen über die Zukunft der Kirche. Wie sehr die zarten Bande neuen Vertrauens in den 27 Bistümern gestärkt werden, hängt allerdings von den Ortsbischöfen ab, und da gibt es eben mehr oder weniger engagierte.

Am heutigen Freitag feiert Robert Zollitsch seinen 75. Geburtstag. Dann wird er dem Papst seinen Rücktritt anbieten, wie es in der katholische Kirche für 75-jährige Bischöfe üblich ist. Vermutlich wird Franziskus allerdings auf den fleißigen Arbeiter im Weinberg des Herrn ungern schon jetzt verzichten und ihn noch einige Zeit weitermachen lassen. Claudia Keller

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