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© dpa

Manuela Schwesig: Grünkohl mit den Genossen

Die neue SPD-Vize Schwesig auf Vorstellungstour. Daheim wirft man ihr vor, die Ministerin sei zu wenig anwesend.

Es ist kurz vor Mitternacht, und Milan Pein, Kreisvorsitzender der SPD in Hamburg-Eimsbüttel, strahlt: Das traditionelle vorweihnachtliche Grünkohlessen hat den rund 100 Parteigängern gefallen. Kohlstrünke, Kasslerscheiben, Kochwurst und Kartoffeln haben gemundet. Und dem abendlichen Ehrengast wurde von allen Seiten Sympathie entgegengebracht. Die Schweriner Sozialministerin Manuela Schwesig, vor wenigen Wochen erst zur stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD aufgestiegen, hatte sich angesagt und Neugier bei den Genossen geweckt.

Der neue Jungstar der SPD ist derzeit häufig außerhalb des eigenen Bundeslandes unterwegs. Die gestiegene Aufmerksamkeit an der redegewandten Schwesig bleibt der politischen Konkurrenz nicht verborgen. Man hält ihr vor, sich mehr im Licht ihres neuen Parteiamtes zu sonnen, als ihren Pflichten als Sozial- und Gesundheitsministerin nachzukommen. Was als Vorstellungstour der 35-Jährigen in der eigenen Partei durchaus honoriert wird, stößt daheim, auch beim Koalitionspartner CDU in Mecklenburg-Vorpommern, auf wenig Verständnis. So kritisiert denn auch der Schweriner Fraktionschef Harry Glawe, aus Unions-Sicht hätte längst ein neuer Kita-Gesetzentwurf vorliegen müssen. Der wird nun wohl erst Ende Januar auf dem Kabinettstisch landen. Schwesig selbst will die Kritik nicht gelten lassen: „Ich bin sehr präsent im Land“, sagt sie. Und die Arbeitsschritte für das Gesetz seien mit dem Koalitionspartner abgestimmt. „Das ist alles nur Getöse der CDU in Mecklenburg- Vorpommern, weil diese in meinem Arbeitsfeld weder inhaltlich noch personell viel zu bieten hat.“

Auch auf allen Fernsehkanälen ist die Ministerin derzeit präsent. Noch am gleichen Tag war sie wieder im Studio, und so verzögert sich ihre Ankunft bei den Genossen in Hamburg beträchtlich. Als ihre Limousine schließlich vorfährt, wird die 35-Jährige fast familiär mit Küsschen auf die Wange von Niels Annen begrüßt, der im SPD-Parteivorstand sitzt und dessen parteipolitische Heimat Eimsbüttel ist. Auch der neue Hamburger Landesvorsitzende und auf Bundesebene ebenfalls stellvertretende Partei-Vize Olaf Scholz ist da. Die Sitzordnung platziert Schwesig zwischen Scholz und Milan Pein.

Als nach dem Essen der traditionelle „Aquavit“ als Absacker verteilt wird, ergreift Schwesig das Wort. Sie spricht über demografischen Wandel, Familienpolitik, Solidarität, Pflege und Bildungsgerechtigkeit. Sie macht, mehrmals von Beifall unterbrochen, mit Attacken auf die neue Ministerriege im Bundeskabinett weiter und geißelt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz als „ungedeckten Scheck“, „Witz des Jahres“ und „vergiftetes Weihnachtsgeschenk“. Nach 20 Minuten wird lang anhaltend geklatscht.

Die Bürgerschaftsabgeordnete Dorothee Stapelfeldt hat Schwesigs Auftritt als rundum gelungen empfunden. Wolfgang Rose, ebenfalls für die SPD in der Bürgerschaft und zugleich Hamburger Chef der Gewerkschaft Verdi, urteilt: „Sie weiß, wovon sie spricht. Das kommt gut an. Das ist authentisch und damit glaubhaft. Ich hätte am Ende auf ein paar politische Floskeln verzichtet, aber das gehört wohl dazu.“

An solche Auftritte als neue Hoffnungsträgerin der Partei muss sich Schwesig gewöhnen. Als Parteivize muss sie sich einerseits der Basis vorstellen, andererseits selbst an politischer Reife gewinnen. Im Januar folgen Neujahrsempfänge in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Mit dem neuen Parteiamt erhöht sich die Termindichte. Dieser Freitag, der für Manuela Schwesig in Hamburg um Mitternacht endete, begann wie üblich früh um 8.30 Uhr mit einer Besprechung in ihrem Büro zu Kabinettsfragen. Und zum Tagesplan gehörte dann auch ein Gewerkschaftsmeeting. Das Thema: Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Die Sozialministerin und verheiratete Mutter eines Sohnes wird die Diskussionsrunde zweifellos mit ganz frischen Einsichten und Erkenntnissen bereichert haben.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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